156 Deas Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 20./27.)
lungnahme mit den andern Ministern befugt sei. Diese hielten für die
fraglichen Handlungen mit Rücksicht auf deren ganze Bedeutung solche
vorherige Kollektivberatung für um so entschiedener geboten, als eine kurz
vorher erfolgte Allerhöchste Anordnung für alle irgend wichtigeren Ange-
legenheiten gemeinsame Beratung im Ministerrate besonders vorgesehen
hatte. Wenn hiernach die Differenz auf dem Gebiete der Geschäftsbehand-
lung sich bewegte, so standen doch keineswegs nur formale Dinge von
untergeordneter Bedeutung, sondern es kam gleichzeitig das wichtige und
entscheidende Interesse in Frage, ob in materieller Hinsicht das Selbst-
bestimmungsrecht der Ministerkollegen in Angelegenheiten, die sie vermöge
des Prinzips der Solidarität in den leitenden Regierungsgrundsätzen mit
ihrer politischen Verantwortlichkeit zu decken hatten, gewährleistet blieb.
Die Lage erfuhr eine unerwartete Verschärfung dadurch, daß Graf v. Crails-
heim sein Entlassungsgesuch einreichte, ehe die Angelegenheit zum Abschluß
gelangt war, sonach in einem Stadium derselben, in welchem die Ein-
reichung des Gesuches überraschend wirken mußte. Die Krisis, die hie-
durch geschaffen war, hat damit zu jener Lösung gedrängt, die sie durch
die Allerhöchste Genehmigung des Entlassungsgesuches gefunden hat. Eine
Veränderung in den Regierungsgrundsätzen ist infolge des Personalwechsels
nicht eingetreten. Das Ministerium wird nach wie vor die guten Be-
ziehungen zwischen Bayern und dem Reiche auf der durch die Reichsver-
fassung geschaffenen Grundlage sorgfältig pflegen und sich bei der Führung
der Geschäfte im Innern nicht von Parteirücksichten, sondern lediglich durch
die pflichtgemäße Bedachtnahme auf die Interessen der Krone und des
Landes leiten lassen.
In den folgenden Tagen wird namentlich das Verhältnis Bayerns
zum Reich behandelt. Dazu bemerkt Ministerpräsident Frhr. v. Podewils
(am 22.): Das Verhältnis Bayerns zum Reich und das Verhältnis Bayerns
zu Preußen und zu den anderen Bundesstaaten ist ein solches, wie wir
es nur mit Genugtuung begrüßen und wünschen können, daß es immer
so bleiben möge. Und daß es glücklicherweise so ist, das ist die Frucht
der allerseits und stets betätigten Erkenntnis jener Momente, welche die
Gegenseitigkeit des Vertrauens und der Sympathie unter den Bundes-
staaten gewährleisten, in denen das Ganze eben doch seine sicherste und
schönste Stütze findet. Unverbrüchliche Treue und Hingabe an das ange-
stammte Herrscherhaus und das engere Vaterland, rückhaltlose Treue zu
Kaiser und Reich, wie es von den großen Parteien des Landes stets und
erst in den jüngsten Zeiten wieder in gewissermaßen programmatischem
Uekereinstimmen verlangt worden ist, es sind dies so selbstverständliche
Grundforderungen, daß ich darüber kaum ein Wort zu sagen, geschweige
denn mich darob in eine große rhetorische Pose zu werfen brauche. Und
ebenso überflüssig erscheint mir alles Diskutieren darüber, in welcher
Priorität etwa jene beiden Forderungen zueinander zu stehen haben. Treue
loyale Pflichterfüllung gegen das Reich und treue loyale Pflichterfüllung
gegen die engere Heimat, das geht so sehr Hand in Hand, so sehr in einem,
daß alles tun, alles pflichtgemäße Genügen und Verdienen nach der einen
Richtung ein Verdienen zugleich nach der anderen bedeutet, daß jedes
Fehlenlassen hier wiederum zugleich als schuldvolles Schädigen dort sich
empfindsam machen würde. In vollem Bewußthalten unserer Selbstver-
antwortung können wir unsere Aufgabe, wie dies schon oft betont worden
ist, uun und nimmermehr in einer unfruchtbaren Passivität oder gar Ver-
neinung suchen, sondern nur in jener sich nicht verschließenden aktiven
Mitarbeit, die unter voller Wahrung der verfassungsmäßigen Stellung
Bayerns, seiner Rechte und seiner Interessen bereitwillig überall mit ein-