160 Das Ventsche Reich und seine eintelnen Glieder. (Oktober.)
Heute werden die Arbeiter, die ihrem Unternehmer mit Streik oder Sperre
drohen, auf Grund des Strafgesetzes bestraft. Wenn der Unternehmer
aber seine Arbeiter-auf die Straße wirft, weil sie ihr Koalitionsrecht aus-
üben, geht er straffrei aus, ja genießt meist den Schutz der Behörden.
In einer Resolution wird gefordert: 1. Sicherung und Erweiterung
des Koalitionsrechtes. 2. Schaffung eines einheitlichen und freiheitlichen
Vereins= und Versammlungsrechts für das ganze Reich an Stelle der
einzelstaatlichen Vereinsgesetze, worin alle das Koalitionsrecht und die
Tätigkeit der Berufsvereine einengenden Bestimmungen der Vereinsgesetze
beseitigt sind. 3. Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereine zur
Sicherstellung ihrer Vermögensrechte ohne Einschränkung ihrer Bewegungs-
freiheit.
Ferner werden folgende Beschlüsse gefaßt: Für die Einführung von
Arbeitskammern: „Die Versammlung spricht ihr lebhaftes Bedauern darüber
aus, daß die in den kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar 1890 in Aus-
sicht genommenen gesetzlichen Institutionen (Arbeitskammern) zur „Pflege
des Friedens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, an denen Arbeiter
durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemein-
samer Angelegenheiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen
bei Verhandlungen mit den Arbeitgebern und mit den Organen der Re-
gierung befähigt werden", noch nicht verwirklicht sind. Sie bedauert das
um so mehr, als ähnliche Institutionen in Deutschland für andere Berufs-
klassen seit längerer Zeit bestehen und erfolgreich und nützlich wirken. Die
Versammlung erblickt in paritätischen Arbeitskammern ein wichtiges Mittel,
a) der Verschärfung der Klassengegensätze und der damit verbundenen
wachsenden Verbitterung und Entfremdung von Arbeiter und Arbeitgeber
Einhalt zu tun durch Beratung und Verständigung über gemeinsame An-
gelegenheiten, insbesondere aus dem Arbeitsverhältnis; b) die Rechte und
Interessen der Arbeiter sicher zu stellen und zu fördern und so den Ar-
beiterstand in seinem Bestreben, eine größere Anteilnahme an den geistigen
und materiellen Gütern der Kultur zu erlangen, wirksam zu unterstützen.
Es ist deshalb die Schaffung solcher Arbeitskammern als eine der nächsten
und wichtigsten Aufgaben der deutschen Sozialpolitik anzusehen. In diesem
Sinne ersucht die Versammlung die Regierung und die Volksvertreter in
den Parlamenten, baldmöglichst die geeigneten Schritte zur Verwirklichung
der Arbeitskammern einzuleiten und verpflichtet die Teilnehmer des Kon-
gresses, für diesen Gedanken in ihren Korporationen lebhafte Propaganda
zu machen.“ Ueber die Organisation: „§ 1. Der Ausschuß des deutschen
Arbeiter-Kongresses bezweckt, zwischen den Arbeiterorganisationen Deutsch-
lands, die auf dem Boden der kaiserlichen Botschaften von 1881 und 1890
stehen, eine gegenseitige Verständigung bei allen die Arbeiter betreffenden
sozialen Angelegenheiten von Fall zu Fall herbeizuführen, um ein gemein-
sames Vorgehen zu ermöglichen; vor allem erstrebt er die volle Ausnützung
der aus der sozialpolitischen Gesetzgebung entspringenden Rechte. Der An-
schluß neuer Arbeiterorganisationen erfolgt mit Genehmigung des Aus-
schusses. § 6. Alle Beschlüsse des Ausschusses werden mit einfacher Stim-
menmehrheit gefaßt. Sie haben für die beteiligten Organisationen nur
insofern bindende Kraft, als sie sich auf seine Geschäfts- und Kassenführung
beziehen, im übrigen übt der Ausschuß nur eine zwischen ihnen vermittelnde
Tätigkeit nach Maßgabe des § 1 dieser Satzungen aus.“
Oktober. Die Presse über den Arbeiterkongreß.
Der „Vorwärts“ verhöhnt den Kongreß: „Es ist nur eine Variation
des uralten Themas: die Arbeiter durch ein sozialpolitisches Eiapopeia