Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 3.) 167
Erscheinungen zu beseitigen, wird eine Aenderung jenes Gesetzabschnittes
zur Beratung gestellt werden. Im Anschluß hieran soll versucht werden,
durch eine Aenderung der Reichsstempelgesetzgebung berechtigten Interessen
des Börsenverkehrs entgegenzukommen. Dabei werden auch Unzuträglich-
keiten zu beseitigen sein, die sich im Gebiete dieser Gesetzgebung in anderer
Richtung, insbesondere in Bezug auf die Ausspielungen, ergeben haben.
Bedauerlicherweise sind neuerdings in einem Teile der deutschen Rebgelände
Schädlinge in einem Umfange aufgetreten, der für die Zukunft unseres
Weinbaues zu schweren Besorgnissen Anlaß gibt. Die geltenden gesetz-
lichen Bestimmungen haben sich zur erfolgreichen Bekämpfung der drohenden
Gefahr in manchen Punkten als unzulänglich erwiesen. Es wird daher
eine Vorlage ausgearbeitet, die den Behörden schärfere Waffen in die Hand
geben soll, um auf diese Weise jenen kostbaren Zweig der deutschen Land-
wirtschaft vor größerem Unheile zu bewahren. In Erfüllung eines Wun-
sches, der vom Reichstage in früheren Legislaturperioden wiederholt aus-
gesprochen ist, verhandelt der Bundesrat über einen Gesetzentwurf, welcher
die Frage eines gesetzlichen Entschädigungsanspruchs für unschuldig erlittene
Untersuchungshaft zu regeln bestimmt ist. Die wirtschaftliche Erschließung
unserer Schutzgebiete hängt davon ab, daß es gelingt, sie mit leistungs-
fähigen Verkehrsmitteln auszustatten. Besonders dringlich ist dies für die
Entwicklung für Deutsch--Ostafrika. Es besteht die Absicht, den schon dem
letzten Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf über die Zinsgarantie für eine
Bahn von Dar-es-Salaam nach Mrogoro, nachdem dieser Entwurf wieder-
holter Prüfung unterworfen worden ist, mit einigen Aenderungen Ihrer
Beschlußfassung von neuem zu unterbreiten. Auf Grund des im Vorjahre
aufgestellten neuen Zolltarifs sind mit mehreren Staaten des europäischen
Kontinents Unterhandlungen wegen Neugestaltung der bestehenden Handels-
und Tarifverträge eingeleitet worden. Bei der gegenwärtigen Sachlage
erscheint es zweckmäßig, die bisherigen Grundlagen für die Regelung des
handelspolitischen Verhältnisses zum britischen Reiche einstweilen beizu-
behalten. Es wird Ihnen deshalb der Entwurf eines Gesetzes zugehen,
welches dem Bundesrat über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus die
Befugnis zur meistbegünstigten Behandlung britischer Angehöriger und Er-
zeugnisse beilegt. Das Deutsche Reich unterhält zu allen fremden Mächten
gute und freundliche Beziehungen. In der schwierigen mazedonischen Frage,
welche die europäische Diplomatie in der letzten Zeit am meisten beschäftigt,
stehen deutsche Interessen erst in zweiter Linie. Die Regierung Seiner
Majestät des Kaisers hat aber an ihrem Teile mitgewirkt, um ernsteren
Verwicklungen tunlichst vorzubeugen und zum Erfolge der Bestrebungen
der nächstbeteiligten Mächte für ruhige und geordnete Zustände in Maze-
donien beizutragen. Seine Majestät der Kaiser hat zu seiner Freude auch
in diesem Jahre mit seinen hohen Verbündeten in Rom und in Wien
und mit dem befreundeten Herrscher des russischen Reichs in persönlichen
Gedankenaustausch treten können. Dabei ist der Wunsch und die Hoff-
nung aufs neue befestigt worden, daß der Friede, das größte Gut für die
Wohlfahrt der Völker, auch ferner vor gefährlichen Störungen bewahrt
bleibe. Geehrte Herren! Sie stehen im Begriff, Ihre bedeutsamen und
verantwortungsvollen Arbeiten aufzunehmen. Möchten Ihre Verhand-
lungen dazu beitragen, den friedlichen Ausgleich bestehender Gegensätze zu
fördern, die wirtschaftliche Lage des deutschen Volkes mehr und mehr zu
bessern und des Reiches Macht und Ansehen zu unserer aller Wohl zu
heben und zu stärken. Auf Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Kai-
sers erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag
für eröffnet.