10 Nas Venische Reich und seine einzeluen Glieder. (Januar 19./20.)
störung der Keimfähigkeit durch Darren oder Schroten seien zu kostspielig.
Reichsschatzsekretär Frhr v. Thielmann bekämpft die Voraussetzung, daß
auf Malzgerste und Futtergerste verschiedene Zollsätze festgesetzt würden,
denn im Zolltarif sei der Zoll für Gerste mit 7 Mark festgesetzt und be-
züglich der Malzgerste sei in § 1 des Zollgesetzes nur gesagt, der Zollsatz
für dieselbe dürfe nicht unter 4 Mark betragen. Daß die Futtergerste
billiger tarifiert werden solle, stehe weder im Zollgesetze, noch im Tarif.
Bis jetzt habe man mit keiner fremden Macht Handelsvertragsverhand-
lungen begonnen, auch seien noch von keiner Seite Anforderungen bestimmter
Art auf Tarifherabsetzung an die verbündeten Regierungen herangetreten.
Die Regierung würde daher ruhig abwarten, ob solche Wünsche geäußert
werden, und wenn das geschehe, werde sie es sich noch überlegen, ob sie
den Wünschen stattgeben solle. Wenn, wie Abg. Rösicke gesagt habe, die
Kosten für Darren und Schroten der Gerste so hoch wären, daß keine Vor-
teile bei der Einfuhr herauskämen, so würde der Bundesrat erst recht keine
Ursache haben, zwischen Malzgerste und Futtergerste zu unterscheiden, da
ja dann niemand gewalzte oder geschrotete Gerste vom Auslande aus ein-
führen würde. Im übrigen gebe es doch auch noch andere Mittel zur
zolltechnischen Unterscheidung, als das von dem Interpellanten angeführte
Schroten und Darren, z. B. die Verwendungskontrolle.
19./20. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Etat.
Vieh= und Fleischzölle. Polenpolitik: Posener Refidenzschloß; Be-
amtenzulagen. Kanalfrage. Handelsverträge.
Abg. Fritzen (3.) bedauert, daß die Regierung trotz der schlechten
Finanzlage die Minimalzölle auf Vieh und Fleisch abgelehnt habe. Die
wirtschaftliche Lage sei nach wie vor bedenklich, und die Industrie werde
damit rechnen müssen, daß sie über kurz oder lang sich auf den inländischen
Markt beschränkt sehen werde, und die Regierung habe darum die dringende
Pflicht, durch Unterstützung der Landwirtschaft, welche die beste Abnehmerin
der Industrie sei, für genügende inländische Kaufkräfte zu sorgen. Das
Zentrum verwerfe die Errichtung eines königlichen Residenzschlosses in
Posen, sowie überhaupt alle Etatspositionen, die eine Förderung der von
der Regierung eingeschlagenen Polenpolitik bezwecken. Auch das Zentrum
wünsche die Stärkung des Deutschtums im Osten und sei bereit, die Regie-
rung in diesen Bestrebungen, solange sich dieselben in vernünftigen Bahnen
bewegen, zu unterstützen. Die Errichtung eines königlichen Schlosses in
Posen sei aber nicht das richtige Mittel, um das Deutschtum zu stärken;
die Zwecklosigkeit eines solchen Schlosses sei durch die prächtige Residenz
in Straßburg hinlänglich bewiesen; auch sei es nicht zu billigen, daß die
Beamten im Osten besser gestellt werden, als diejenigen in der übrigen
Monarchie und daß die Oberlehrer gezwungen werden sollen, Pensionäre
anzunehmen, um so eine Art Zwangserziehung für die polnische Jugend
einzuführen.
Ministerpräsident Graf Bülow: Der Vorredner hat die Ostmarken-
frage berührt; ich will die betreffenden Positionen des Etats darum hier
im Zusammenhange beleuchten. Die Regierung hat die Ausführung ihres
im Vorjahre angekündigten Programms ohne Zögern begonnen. Der
Vorredner billigt dieses Programm nicht und hat mit der ihm eigenen
Objektivität die Gründe dafür dargelegt. Ich halte es aber um so mehr
für meine Pflicht, auf dem von der Mehrheit dieses Hauses gebilligten
Wege vorwärts zu gehen, als ich die Ostmarkenfrage nach wie vor für die
wichtigste Frage unserer innerpreußischen Politik halte und ich von der