Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Die ästerreithisqh · nugarische Menarthhie. (Januar 6.—20.) 189 
sein, von den Bezirkshauptmannschaften 58 tschechisch, 40 deutsch und 6 
gemischtsprachig. 
6. Januar. (Prag.) Parteitag der alldeutschen Partei. 
Die Leitung hat der Abg. Wolf. Der Tag erklärt, die Alldeutschen 
wollten in ebrlicher Kampfgenossenschaft mit der Deutschen Volkspartei 
zusammenwirken und mit allen anderen deutschen Parteien einen gemein- 
samen Volksrat beschicken. Die Partei mache sich die Förderung der Los 
von Rom-Bewegung zur Pflicht. Die Partei wolle eine Arbeitskraft sein 
und weise jede leere Demonstrationspolitik von sich. 
12. Januar. (Prag.) Das Erxekutivkomitee der tschechischen 
Reichsrats- und Landtagsabgeordneten lehnt die Körberschen Sprachen- 
vorschläge ab als dem tschechischen Volke feindlich. 
17. Januar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Schluß 
einer Sitzung nach 54stündiger Dauer. Die Obstruktion der tsche- 
chischen Radikalen hatte die lange Dauer veranlaßt; sie wollten die 
Beratung einiger Dringlichkeitsanträge erzwingen, müssen aber 
schließlich die Obstruktion einstellen. 
17. Januar. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ver- 
weist nach kurzer Debatte die Brüsseler Zuckerkonvention an eine 
Kommission. 
20. Januar. (Wien.) Abbruch der Verständigungskonfe- 
renzen. 
Abg. Pacak (Tsch.) stellt folgende Grundsätze für die Regelung der 
Sprachenfrage auf: 1. als Landessprache haben im Königreich Böhmen 
sowohl die tschechische als die deutsche Sprache in dem ganzen Lande, in 
jeder Beziehung zu gelten und sie müssen deshalb in allen Geschäftszweigen 
des offiziellen Dienstes gleichmäßig angewendet werden. 2. Jede Person, 
welche sich einer Landessprache bedient, ist demnach berechtigt, bei allen 
Behörden des ganzen Landes nach den ganz gleichen Vorschriften diese 
Landessprache zu gebrauchen. — Abg. Eppinger erklärt namens der 
Deutschen, daß nach dieser Erklärung eine Berücksichtigung der deutschen 
Forderungen ausgeschlossen erscheine. — Ministerpräsident v. Körber: Die 
Regierung erwäge in ihrem Entwurfe die Mittel und Wege, um einen 
Ausgleich der beiderseits streitigen Interessen anzubahnen. Dieser Entwurf 
brauche ihres Erachtens jedoch nicht unabänderlich zu sein; sie würde sich 
vielmehr anderen, vernünftigen und praktisch durchführbaren Vorschlägen 
gegenüber nicht ablehnend verhalten, denn für sie sei nicht dies Substrat 
für die Verständigung, sondern die Verständigung als solche die Haupt- 
sache. Das Wichtigste bezüglich der Sprachenfrage sei, die Handhabung 
der Sprache im äußeren Schriftverkehr, sprachliche Befähigung der Be- 
amten u. s. w., eventuell auch ohne bestimmte Unterlagen im Detail durch- 
zusprechen. Solche Detailfragen fänden jedoch besser im kleineren Kreise 
ihre Erledigung, weshalb er, der Ministerpräsident, die Verweisung der 
Diskussion an die Subkomitees für wünschenswert halte. — Abg. Herold 
(Tsch.): Nachdem der Ministerpräsident selbst davon abgegangen sei, zu 
verlangen, daß der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf die Grundlage der 
Besprechung bilde, seien die Tschechen bereit, Vertreter in ein Subkomitee 
zu schicken, welches die einschlägigen Fragen sowohl in der Sprachenfrage
	        
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