Die erreichisch-ungarische Monarhie. (Mai 16.—Juni 10.) 201
der kroatischen Agitatoren begünstigt würden und als ob Vorgänge ähnlich
denen vom Jahre 1848 eintreten und kroatische Demagogen zur Auflehnung
gegen Ungarn verleitet würden. (Lebhafter Beifall rechts.)
16. Mai. (Böhmen.) Eine Versammlung deutscher Ver-
trauensmänner in Trebnitz beschließt die Gründung eines deutschen
Volksrats für Böhmen. Die Christlich-Sozialen sollen wegen ihrer
undeutschen Politik von dem Volksrat ferngehalten werden.
16. Mai. (Tirol.) Tumulte an der Innsbrucker Universität.
Bei der Antrittsvorlesung eines italienischen Dozenten kommt es
zu blutigen Schlägereien zwischen deutschen und italienischen Studenten. —
Hieran knüpfen sich heftige Preßfehden zwischen den Deutschen und Italie-
nern in Tirol. Die Italiener verlangen vielfach eine besondere italienische
Universität in Triest.
21. Mai. (Ungarn.) Verschiebung der Rekruten-Aushebung.
Der Landesverteidigungsminister benachrichtigt die Komitatsbehörden,
daß in Ungarn infolge der bekannten politischen Vorgänge die Aus-
bebungen für das Heer vom 1. Juli auf den 29. August verschoben werden
mußten.
Ende Mai. (Cisleithanien.) Kroatische Unruhen.
Anläßlich der kroatischen Unruhen kommt es auch in Laibach zu
Kundgebungen, bei denen Militär einschreitet. — Es werden Gerüchte
über zahlreiche standrechtliche Hinrichtungen verbreitet; Ministerpräsident
v. Körber bezeichnet sie im Abgeordnetenhause als aus der Luft gegriffen
(22. und 26. Mai). — Die dalmatinischen Abgeordneten bitten um eine
Audienz beim Kaiser in der Angelegenheit der Vorfälle in Kroatien. Die
Audienz wurde auf Antrag v. Körbers nicht gewährt, weil die inneren
Angelegenheiten der ungarischen Krone nicht zum Gegenstande der
Beschwerdeführung aus den österreichischen Ländern gemacht werden können.
4./5. Juni. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Angriffe
der Tschechen auf die Dynastie.
Abg. Choc (tsch. radikal) greift den Thronfolger scharf an, weil er
sich in einem Café von einer Sängergesellschaft ein Lied hat vorsingen
lassen, in dem ein Tscheche verspottet wird. Der Redner sagt: Dieses Vor-
gehen des Thronfolgers ist gewiß sehr eigentümlich, es ist eine Provokation,
es bedeutet eine Beleidigung des tschechischen Volkes. Wir wissen, daß es
nicht richtig ist, daß behauptet wird, daß der Thronfolger ein Freund des
tschechischen Volkes sei. Wir wissen auch, daß wir eine derartige Behand-
lung von dem Thronfolger nicht verdienen. Das tschechische Volk hat sich
eine andere Behandlung von den Habsburgern verdient. Wir wissen auch,
daß wir von einem habsburg-lothringischen Thronfolger, der Franz oder
Ferdinand heißt, nichts Gutes erwarten können, geschweige denn von einem
habsburg-lothringischen Thronfolger, der Franz und Ferdinand heißt. Des-
wegen ersuche ich den Präsidenten des Hauses, den Ministerpräsidenten zu
ersuchen, er möge das Vorgehen des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand
in „Venedig in Wien“ rügen. — Der Präsident ruft den Redner unter
heftigen Protesten der radikalen Tschechen zur Ordnung.
10. Juni. (Cisleithanien.) Beschlüsse der Quotendeputation.
Die ungarische Deputation beantragt die bisherige Quote bis auf
1913 festzulegen. Der Antrag wird einstimmig abgelehnt. Abg. Chlumecky