Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

212 HNie Ferreicischzungerische Monarie. (September 11. 16.) 
des österreichischen Reichsrates fordert und gegen die Zurübehaltung des 
dritten Assentjahrgangs ernste Bedenken zußerl. Der Ministerpräsident, 
dem die Resolution mitgeteilt wird, erwidert, daß er den Reichsrat im 
ersten Momente, wo die Verhältnisse in Ungarn geklärt sein würden, ein- 
berufen werde. So lange jedoch in Ungarn alles in der Schwebe sei, müsse 
er auf die Einberufung des Reichsrates verzichten. Die „Alldeutsche Kor- 
respondenz“, die die Anhänger Schönerers vertritt, erklärt, die Alldeutsche 
Vereinigung verfolge die gegenwärtigen Vorgänge in Ungarn mit Genug- 
tuung, da dieselben das alldeutsche Programm der Erfüllung näher rücken. 
Sie erblicke in diesen Vorgängen nur die Vorboten für die Verwirklichung 
der im Linzer Programm aufgestellten Forderung nach der bloßen Personal= 
union und sie maße im wirtschaftlichen Interesse der Bevölkerung der dies- 
seitigen Reichshälfte wünschen, daß diese von Ungarn angestrebte Trennung 
je früher je besser stattfinde, damit der für die industriellen, landwirt- 
schaftlichen und gewerblichen Kreise nachteiligen Ungewißheit ein Ende 
bereitet werde. Die Alldeutschen werden daher die auf die Trennung ab- 
zielenden Forderungen Ungarns nicht bekämpfen. Die sofortige Tagung 
des Reichsrates würde sich nicht als Mittel zur Gesundung der Situation 
erweisen, da die Tschechen den Zusammentritt des Reichsrates nur benützen 
würden, um ihrerseits mit neuen Ansprüchen hervorzutreten. 
Am 8. September spricht sich der Parteitag der freien Alldeutschen 
(Wolfsche Richtung) für die bloße Personalunion mit Ungarn aus, fordert 
aber die Einberufung des Reichsrats. 
11. September. (isleithanien.) Unterstützung der vom 
Hochwasser Betroffenen. 
Eine kaiserliche Verordnung ermächtigt die Regierung, zur Unter- 
stützung der hilfsbedürftigen Bevölkerung in den Anfang September vom 
Hochwasser betroffenen Ländern zur Wiederherstellung des beschädigten 
Staatseigentums (Verkehrswege) Staatsmittel bis zu 15 Millionen Kronen 
aufzuwenden. Davon sollen zunächst 6 Millionen der notleidenden Be- 
völkerung Böhmens, 3 Millionen derjenigen Schlesiens und 2900000 Kr. 
jener Galiziens zugewendet werden. 
16. September. (Chlopy.) Der Kaiser erläßt folgenden 
Armeebefehl: 
Die Staatsgeschäfte nahmen Mich in jener Zeit in Anspruch, welche 
Ich den diesjährigen Manövern des 7. und 12. Korps so gern gewidmet 
hätte. Indem Ich den General der Kavallerie Erzherzog Franz Ferdinand 
mit meiner Vertretung betraute, blieb ich durch dessen Berichte in steter 
Kenntnis des Verlaufes des Manövers und hatte die erwartete Befriedigung 
durch Se. kaiserliche und königliche Hoheit nur Lob und Anerkennung des 
gesamten Zustandes und der Leistungen beider Korps des Heeres, sowie 
der beigezogenen Heerkörper der ungarischen Landwehr zu vernehmen. Den 
großen Kavalleriemanövern in Galizien anwohnend, konnte Ich Mich von 
deren lehrreichen Anlage, Leitung und Durchführung, sowie von der vor- 
züglichen Verfassung und hohen Leistungsfähigkeit aller beteiligten Truppen 
erneut überzeugen. Je sicherer begründet Mein günstiges Urteil über 
den militärischen Wert, die hingebungsvolle Dienstesfreudigkeit und das 
einmütige Zusammenwirken aller Teile meiner Gesamtwehrkraft ist, desto 
mehr muß und will Ich an deren bestehenden und bewährten Einrichtungen 
festhalten. Mein Heer, insbesondere dessen gediegenes Gefüge, das ein- 
seitige Bestrebungen in Verkennung der hohen Aufgabe, welche dasselbe 
zum Wohle beider Staatsgebiete der Monarchie zu erfüllen hat, zu lockern
	        
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