Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

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und der Nation geschaffen wurde. So muß dem sein und so muß dem 
auch fernerhin bleiben. Die Gnade der heiligen Vorsehung hat unser 
Verfassungsleben bisher vor jeder ernsten Erschütterung bewahrt. Nur 
die Nüchternheit und Besonnenheit der Nation, die wohlbedachte Erwägung 
aller in Betracht kommenden großen Interessen kann uns auch in der Zu- 
kunft vor jeder Prüfung bewahren. Es ist daher Meine Herrscherpflicht, 
die Nation aufmerksam zu machen, daß Ich auch jetzt noch an dem Aus- 
gleich festhalte. Es ist Meine Ueberzeugung, daß der Geist, welcher dieses 
Werk geschaffen, in alter Kraft in dem der Nation fortlebt. Ich vertraue 
Ihrer Einsicht, daß Sie die gesetzliche Vertretung Meines Meinem Herzen 
nahestehenden Ungarns über Meine väterliche Absicht aufklären und aus 
dem heutigen, dem Lande und der Monarchie gefährlichen Zustand die 
glückliche Entwirrung finden werden. In dieser Voraussetzung habe Ich 
Mich entschlossen, Sie mit der Bildung der neuen Regierung zu betrauen, 
wovon Ich Sie durch Mein beigelegtes Handschreiben verständige. 
Wien, 22. September. 
(gez.) Franz Joseph. 
(gez.) Graf Khuen-Hedervary. 
23. September. (Pest.) In der Konferenz der liberalen 
Partei gibt Graf Khuen-Hedervary folgende Erklärung ab über 
das kgl. Handschreiben und seine politischen Absichten: 
Se. Majestät nahm mit Schmerz und tiefem Bedauern Kenntnis 
davon, daß der von ihm erlassene Armeebefehl solchen Auffassungen und 
Mißverständnissen, ja Mißdeutungen begegnete, welche zu dem Schlusse ge- 
langten, als ob diese Kundgebung Sr. Majestät als gesetzlichen obersten 
Kriegsherrn des Heeres eine Verletzung der ungarischen Verfassung oder 
der ungarischen Nation, der gesetzlichen Rechte Ungarns und der unga- 
rischen Staatlichkeit enthalte. Das ist ausgeschlossen, das könnte nicht ge- 
schehen und das hat den Absichten des Königs fern gelegen. Man kann 
und darf dem Armeebefehl, von welcher Seite immer es sei, eine solche 
Auslegung berechtigter Weise nicht geben. (Zustimmung.) Wie wenig 
diese verfassungsmäßige Auffassung der Gefühle des Königs für die 
ungarische Nation in dieser Hinsicht Zweifel erleidet und erleiden kann, 
davon wird vielleicht am besten jenes Handschreiben Zeugnis ablegen, das 
in der Sonderausgabe des Amtsblattes veröffentlicht wurde. Nach Ver- 
lesung dieses Allerhöchsten Reskriptes wird es, wie ich glaube, jedermann 
klar sein, daß Se. Majestät sich der verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten 
vollbewußt ist. Es kann sich daher an die Handlung oder an ein Wort 
Sr. Majestät, welche Art sie auch immer sein mögen, keine solche Aus- 
legung heranwagen, welche dies zweifelhaft machen könnte. Das gute 
Verhältnis und das Vertrauen zwischen dem Könige und der Nation sind 
das höchste Gut der Nation; ohne dieses ist eine weitere Entwicklung und 
ein Erstarken der Nation gar nicht denkkor. Was die Frage der 
militärischen Erziehung anbetrifft, so wollen wir erreichen, daß das unga- 
rische Element in dem Rahmen des ungarischen Heeres in größerer Anzahl 
zur Geltung komme durch eine Vermehrung der Stiftungen zur Ausbildung 
ungarischer Staatsbürger und dadurch, daß der Vortrag eines bedeutenden 
Teiles der Lehrgegenstände in den Militärerziehungsanstalten Ungarns in 
ungarischer Sprache gehalten wird. Hierdurch wird, was das stete Streben 
der Nation war, die ungarische Nation in dem gemeinsamen Heer in 
möglichst großer Anzahl zur Geltung kommen Der Monarch er- 
warte seine Vorschläge zur Lösung der Krisis und habe ihn mit der
	        
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