72 H beische Reich undb seint einjelnen Slieder. (März 13.)
aussichtslos bewegt haben. Im Ganzen aber habe ich doch mit meiner Ansicht
über die Möglichkeit, Reichsministerien einzmichten, nicht gewechselt. Ich habe
von Haufe aus zugegeben, daß wir solche Einrichtungen bbrauchen. Man
streitet da auch sehr viel um die Bedeutung des Wortes. Es fragt sich nur:
mit welchen Attributen dollen. sie ausgestettet sin mit kurzen Worten:
wollen Sie bei der einheitlichen Verantwortlichkeit eines Premie
ministers stehen bleiben, oder wollen Sie neben ihn 3—4 andere Miuste
stellen als. gleichberechtigte Factoren, wie es im preußischen Ministerium
der Fall ist, wo der Minister-Präsident nur das geschäftsleitende Mitalied
unter gleichberechtigten Mitgliedern ist? Hierüber habe ich niemals meine
Meinung gewechfelt, sondern an der einheitlichen Verantwortlichkeit sämmt-
licher Minister unter der Leitung des Reichskanglers festgehalten, und glaube,
daß diejenigen, die diese Verankwortung in Anspruch nehmen, also in erster
Linie der Reichstag, in zweiter das ganze Volk, besser dabei wegkommeg.
Ich halte eine Verantwortlichkeit, die auf Leuten ruht welche sich gegenseitig
mit Majorität und Minorität überstimmen, doch eigentlich für keine irgend-
wie faßliche. Wer trägt denn die Verantwortlichkeit für die Beschlüsse des
Reichstages und jeder anderen parlamentarischen Versammlung? Können Sie
dem Einzelnen dafür die Verantwortung aufbürden?! Der Einzelne wird sagen:
Ich bin überstimmt oder durch die Majorität gezwungen worden, einen Weg
zu gehen, den ich, wenn ich allein zu bestimmen gehabt hätte, nicht gegangen
sein würde. Ich weiß nicht, wie Sie von einem Ministerium, das in 8
collegialisch abstimmt, in höherem Maße eine Verantwortlichkeit verlangen
wollen, als von einem Parlament, während Sie den einzelnen leitenden und
allein verantwortlichen Minister, gegen dessen Willen wenigstens nichts ge-
schehen kann, dafür immer verantwortlich machen können. Worin besteht
denn diese Verantwortlichkeit überhaupt? Eine gerichtliche Verantwort-
lichkeit wird, glaube ich, doch sehr selten in Anspruch genommen werden,
wenn sie nicht complicirt ist mit Handlungen, die ein Ficclen Einschreiten
voraussetzen. In der Politik besteht meinem Gefü ch die Ver-
antwortlichkeit wesentlich darin, ob Jemand schließlich nach dem Ur-
theil seiner Mitbürger sich in seiner Politik blamirt hat, ob er hauptsächlich
nach dem Urtheil der Volksvertretung sein Amt leichtsinnig, frivol und partei-
leidenschaftlich geführt hat. Die Sache wird unter gewöhnlichen Verhältnissen
darin ihren Abschluß finden, daß ein Minister auf erkennbaren Wunsch de
Volksvertretung oder aus eigener Ueberzeugung zurücktritt und seine #
führung einer seni und, wenn er Unrecht hat, berechtigten Kritik aussetzt.
ies wird für den Ein elnen, wenn er ohne die Befugniß des unbedingten
Beto’s im Collegium ü erstimmt w worden ist, immer ungerecht sein. Wenn
wir bei Süftung. des norddentschen Bundes oder bei der Erneuerung der
Disrussion über diese Materie bei Gelegenheit der Diätensrage sofort verant-
wortliche Minister in concurrirender Stellung zum Bundesrath und zu den
Landesministern eingesetzt hätten, ist es mir sehr fraglich, ob wir so weit
wären, wie wir jehzt sind. Vor zwölf Jahren wenigstens hätte Niemand das
ebachi. Das deutsche Reich in seiner jetyzigen Gestalt ist erst fünf
Fahr# alt. Das ist für den Menschen das Kindesalter, und Staaten
wachsen langsamer als Men Ich traue unsere Verfassung
eine Bildungsfähigkeit hnlich der englischen durch organische
unepobildung, Bestehenden in der Richtung nach vorwärts, durch
Erreichung des augenbliati ch Möglichen und durch Vermeidung.
des Vesäd lichen zu. Erinnern Sie sich, wie bin ich gedrängt worden zu
Feiten en Ans ebluß einzelner Staaten Süddeutschlands zu fördern, die sich
ereitwillig uns barboten — besonders Badens. Ich habe mir vielleicht da-
mals die Zahl meiner Freunde nicht vermehrt, indem ich es bestimmt ab-