228 HNie lserreichisch-ungerische Monarchie. (Nov. 21.—Dez. Anf.)
einer Reichshälfte in Geltung käme, so würde daran zu erinnern sein, daß
der ungarische Ministerpräsident der Erste war, der dies Wort ausgesprochen
hat. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen auf seiten der Mehrheit; Lär-
men bei den chechisch-Radikalen).
Die Tschechen erklären, die Obstruktion fortsetzen zu wollen, so lange
Körber Ministerpräsident sei und so lange die Armee zu Germanisierungs-
zwecken mißbraucht werde.
21. November. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Minister-
präsident Graf Tisza polemisiert gegen die Ausführungen Körbers:
Ein österreichisch-ungarisches Ausgleichsgesetz sei nicht vorhanden;
es gebe nur ungarische, und in vielen Punkten von diesen abweichende
österreichische Gesetze, auf deren Dispositionen die Handhabung der gemein-
samen Angelegenheiten beruhe. Weiter führt Graf Tisza bei der Richtig-
stellung einer anderen Bemerkung Körbers aus, daß auch ein einseitiges
ungarisches Gesetz, selbst wenn es gemeinsame Angelegenheiten abändere,
jedenfalls Rechtskraft besitze. Dasselbe Recht, das Ungarn zustehe, stehe
natürlich auch Oesterreich zu. Es sei eine Entstellung, zu behaupten, daß
Ungarn dem Grundsatz der Parität Abbruch tun wolle.
22. November. (Ungarn.) Der ehemalige Ministerpräsident
Baron Bauffy gründet in Klausenburg eine neue Partei, die in
den Dienst des „nationalen Chauvinismus“ treten soll.
November. (Tirol.) Die Eröffnung einer freien italienischen
Hochschule in Innsbruck wird verboten, weil eine Störung der Ruhe
davon zu befürchten sei.
25. November. (Cisleithanien.) Im Abgeordnetenhause
erklärt Ministerpräsident v. Körber, eine Verständigung zwischen
Deutschen und Tschechen sei vom allergrößten Vorteil für ÖOster-
reich; Abg. Groß (fortschrittl.) hält sie bei den jetzigen Forderungen
der Tschechen für unmöglich.
25. November. (Ungarn.) Die liberale Partei beschließt,
im Abgeordnetenhause die Abhaltung von Doppelsitzungen zu be-
antragen. Abg. Graf Apponyi tritt deshalb mit 22 Anhängern
aus. — Die bisher parteilosen 10 sächsischen Abgeordneten treten
in die liberale Partei ein.
27. November. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Finanzminister
v. Lukacs legt das Budget für 1903 vor, das die Einnahmen und
Ausgaben auf 1084 Millionen Kronen veranschlagt.
27. November. (Ungarn.) Das Abgeordnetenhaus beschließt
nach 8½stündiger stürmischer Sitzung die Abhaltung von Doppel-
sitzungen.
Anfang Dezember. Der Reichskriegsminister legt in einem
Erlaß an die Militärkommandos dar, daß es für die Offiziere
wichtig ist, die nationale Sprache ihres Regiments zu erlernen.