16 Nas Deutsche Reiqhh und seine einzelnen Glieder. (Januar 19./23.)
einem großen Aufwand von Dialektik nachzuweisen gesucht, daß der baye-
rischen Kammer jede Absicht ferngelegen hat, irgendwie die Kunst schädigen
zu wollen; daß ein solcher Gedanke aber doch nahe lag, wird der Abg.
Schädler selbst nicht bestreiten wollen. Endlich wußte der Prinzregent von
Bayern sehr wohl, daß Sr. Majestät dem Kaiser jede Absicht der Ein-
mischung in die parlamentarischen Angelegenheiten eines Bundesstaates
fern gelegen hat. Vor allem wußte Se. königliche Hoheit der Prinzregent,
daß es Sr. Majestät nicht eingefallen ist, den Rechten eines Bundesfürsten
oder eines Bundesstaates zu nahe treten zu wollen. Gegenüber dem, was
der Abg. Dr. Schädler hier gesagt hat von unitarischen Tendenzen, von
denen ich nicht wüßte, wo sie existieren sollten — an maßgebenden Stellen
existieren sie jedenfalls nicht — betone ich, daß von keiner Seite an dem
bundesstaatlichen Charakter des Reichs gezweifelt oder gerüttelt wird. Mit
allen seinen Mitfürsten ist Se. Majestät der Kaiser davon durchdrungen,
daß auf den vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Bundesfürsten,
auf der Achtung vor den Rechten jedes Bundesstaates und jedes Bundes-
fürsten die gedeihliche Entwicklung des Reichs beruht; die sorgsame Pflege
der föderativen Grundlage des Reiches ist eine conditio sine qua non für
die deutsche Entwicklung, das wird an keiner Stelle vergessen. Diesen
bundesstaatlichen Charakter des Reiches, die Reichsverfassung und den
Reichsgedanken, dessen feste Grundlage die Reichsverfassung ist, vor jeder
Trübung zu wahren, das ist unser aller Pflicht, das ist die Pflicht Seiner
Mojestät des Kaisers, wie es die Pflicht der deutschen Fürsten ist, das ist
meine Pflicht, wie es Ihre Pflicht ist. Und darum kann ich nur meinem
tiefen Bedauern Ausdruck geben über die Art und Weise, wie der Abg.
Schädler diesen Gedanken hier behandelt hat. Ich kann nur der Hoffnung
Ausdruck geben, daß dieser Vorgang von allen Seiten so richtig und so
objektiv und so würdig aufgefaßt werden möge, wie er von seiten des
kompetentesten Beurteilers, von Sr. königlichen Hoheit dem Prinzregenten
von Bayern, beurteilt und aufgefaßt worden ist, und ich kann nur der
Hoffnung Ausdruck geben, daß von allen Seiten unterlassen werden möge,
was im Auslande Zweifel hervorrufen könnte an der Geschlossenheit der
Nation, an ihrer Hingabe an die kaiserliche Idee, die dem deutschen Volke
mehr ist, als der bloß formale Begriff, den der Abg. Dr. Schädler nach
dem Prof. Laband aus ihr hat konstruieren wollen. Denn diese Kaiser-
idee repräsentiert mit den teuersten Erinnerungen des deutschen Volkes
unser Ansehen nach außen, unsere Zukunft in der Welt. Die feste Ent-
schlossenheit des deutschen Volkes ist es, an dieser Idee nicht rütteln zu
lassen, sie vor jeder Antastung zu wahren! Daß alles vermieden wird,
was im Auslande einen falschen Eindruck hervorrufen könnte.
20. Januar. — Abg. v. Vollmar (Soz.) kritisiert die auswärtige
Politik, die sprunghaft und improvisiert sei, wie sich namentlich in der
Haltung der Regierung während der verschiedenen Phasen des Burenkrieges
zeige. In der Frage der Swinemünder Depesche sei das Zentrum im Recht,
denn der Kaiser habe kein Recht sich in die inneren Landesangelegenheiten
zu mischen; die Swinemünder Depesche, die gegen den Willen des Empfängers
veröffentlicht sei, habe dem Partikularismus Wasser auf die Mühle ge-
liefert. — Der Redner will hierauf den Fall Krupp (1902 S. 167) be-
sprechen, wird aber trotz seines Protestes vom Präsidenten Graf Ballestrem
daran gehindert, weil das eine Privatsache sei und nicht vor den Reichstag
gehöre. Der Redner wendet sich gegen die Aeußerungen des Kaisers über
die Sozialdemokratie; da der Kaiser gesetzlich gegen Beleidigungen geschützt
sei, dürfe er ebenfalls nicht beleidigende Aeußerungen tun.
Reichskanzler Graf Bülow: Meine Herren! Ich möchte zunächst