Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Die Uerreichischungerische Menarczie. (Dezember 22.723.) 235 
22./23. Dezember. (Ungarisches Abgeordnetenhaus.) Ob- 
struktion, Militärfrage und auswärtige Politik. 
Landesverteidigungsminister Nyiri begründet die Zurückhaltung 
der Soldaten des dritten Jahrganges und die Einberufung der Ersatz- 
reserve, indem er sich einerseits auf die Anforderungen des Dienstes im 
Frieden, der Stetigkeit und Ausbildung und der Sicherung der Kriegs- 
tüchtigkeit, andererseits aber auf die Ungewißheit der politischen Lage auf 
der Balkanhalbinsel beruft, die es als fahrlässige Leichtfertigkeit erscheinen 
lassen würde, für die Schlagfertigkeit der Armee nicht vorzusorgen. Hier- 
für könnte die Heeresverwaltung unter keinen Umständen die Verantwortung 
übernehmen. Die Opposition hätte diese viele Tausende unschuldiger 
Familien hart treffende Verfügung vermeiden können, sie setzt aber statt 
dessen ihr Verheerungswerk auch jetzt noch fort. Auch jetzt noch ist es 
nötig, das Rekrutenkontingent möglichst frühzeitig zu bewilligen, denn je 
später dies geschieht, desto länger müssen die Ersatzreservisten im Dienste 
behalten werden. Ohnehin werden sich noch das ganze Jahr 1094 hin- 
durch Störungen in der Armee geltend machen, weil die Rekruten statt 
im Oktober um einige Monate später einrücken werden. Unter solchen 
Umständen ist die Vogel-Strauß-Politik der Obstruktionisten, die nicht 
einsehen wollen, daß die öffentliche Meinung sich ganz geändert hat, 
unbegreiflich. 
Am folgenden Tage weist Ministerpräsident Graf Tisza auf die 
Schäden hin, welche dem Lande erwachsen würden, wenn es an den Handels- 
vertragsverhandlungen mit ausländischen Staaten nicht rechtzeitig teil- 
nehmen könne.