Greßbritannien. (September Mitte.) 269
Strömung der Ereignisse zu beobachten und die Gefühle unserer Lands-
leute senseits der Meere würdigen zu lernen. In dieser Beziehung stehe
ich daher anders da als irgend einer meiner Kollegen, und ich glaube, daß
man mir mit Recht einen Vorwurf daraus machen würde, wenn ich im
Amte verbliebe und damit den einstweiligen Ausschluß eines so wichtigen
Teiles meines politischen Programmes (betreffend den Zollbund auf der
Grundlage von Vorzugstarifen) akzeptierte. Ich glaube, daß ich mit
absoluter Loyalität gegenüber Ihrer Regierung und deren allgemeiner
Politik, und ohne Furcht diese Regierung in irgend einer Weise in Ver-
legenheit zu bringen, die Sache, die mir am Herzen liegt, am besten von
außerhalb des Kabinetts fördern kann. Ich kann nur haffen, daß meine
Beweisführungen, wenn ich in vollständig unabhängiger Stellung bin,
nicht mit dem Vorurteil aufsgenommen werden, das man den Beweis-
führungen eines Parteiführers entgegenzubringen pflegt. In Anbetracht
dessen würde ich Ihnen raten, die augenblickliche Politik der Regierung
auf das Vertreten größerer Aktionsfreiheit in unseren kommerziellen Be-
ziehungen zu fremden Ländern zu beschränken und Ihre Zustimmung dazu
zu geben, daß ich Seiner Majestät meine Demission einreiche und mich
selbst dem Werke widme, die Prinzipien der imperialen Union, die, wie
meine Erfahrung mich gelehrt hat, für unser zukünftiges Wohlergehen und
Gedeihen von Wichtigkeit sind, zu erklären und populär zu machen. Ihr
aufrichtig ergebener J. Chamberlain.“
Balfour an Chamberlain: „Downing Street, Whitehall, 16. Sept. 1903.
Mein lieber Chamberlain! Ihren Brief vom 9. d. M., den ich erhielt,
kurz bevor ich zur Kobinettsüütung von Schottland abreiste, habe ich nicht
beantwortet, weil ich wußte, daß wir innerhalb weniger Stunden Gelegenheit
haben würden, die wichtigen Fragen, von denen er handelt, zu besprechen.
Die schriftliche Antwort, die ich jetzt gebe, enthält daher vielmehr das
Resultat unserer Besprechung, als daß sie etwas Neues beibrächte. Ich
stimme mit Ihnen darin überein, daß die Zeit gekommen ist für eine
Aenderung des zollpolitischen Kanons, durch den wir uns in unseren
kommerziellen Verhandlungen mit anderen Regierungen gebunden haben,
und es erscheint mir deshalb geradezu paradox, daß Sie zu derselben Zeit
das Kabinett verlassen, wo andere meiner Kollegen daraus austreten,
gerade weil sie in diesem Punkte mit uns beiden nicht übereinstimmen.
Aber ich muß, wenn auch mit größtem Widerstreben, zugeben, daß die
Gründe, mit denen Sie Ihren Schritt motivieren, eine gewisse wingende
Kraft besitzen, da Sie sich auf Ihre besondere und personliche Stellung-
nahme gegenüber demjenigen Teil der Streitfrage beziehen, der von der
kolonialen Bevorzugung handelt. Sie haben mehr als irgend ein anderer
Lebender oder Toter getan, um den Bürgern des Reiches das Bewußtsein
von der imperialen Verpflichtung und von der gegenseitigen Abhängigkeit
der verschiedenen Gebiete klar zu machen, in die das Weltreich geographisch
geschieden ist. Ich glaube, daß Sie recht haben, wenn Sie die Ansicht
vertreten, daß diese Abhängigkeit ebensogut in unseren kommerziellen Be-
ziehungen wie in den politischen und militärischen Ausdruck finden sollte.
Ich Haube mit Ihnen, daß eine engere fiskalische Vereinigung zwischen
dem tterlande und den Kolonien für den Handel beider gut sein würde
und daß, wenn ein derartiger engerer Zusammenschluß sich unter passen-
den Bedingungen herstellen ließe, die Vorteile für beide Teile im Laufe
der Jahre und mit dem Wachsen der Kolonien an Bevölkerung und Wohl-
habenheit immer deutlicher hervortreten würden. Wenn es zwischen uns
über diese Frage überhaupt eine Verschiedenheit der Ansichten gegeben hat,
dann bestand g4 nur in Bezug auf die Durchführbarkeit eines Vorschlages