Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Frankreich. (Februar 6.—März 10.) 279 
6. Februar. (Kammer.) In der Beratung des Flotien- 
budgets erklärt sich Marineminister Pelletan gegen große Panzer- 
schiffe und für leichtere und schnellere Einheiten. 
8. Februar. (Montpellier.) Schluß eines großen am 
18. Dezember begonnenen Prozesses gegen aufständische Araber. 
Von 118 Angeklagten werden 86 freigesprochen, die übrigen zu 
Gefängnisstrafen bis zu 15 Jahren verurteilt. 
Februar. Die Presse bespricht lebhaft die Venezuelafrage 
und nimmt dabei scharf gegen Deutschland Partei. 
Februar, Streit zwischen der Regierung und der Kurie 
wegen Bischofsernennungen. 
Die Negierung. ernennt drei Bischöfe ohne die Einwilligung der 
Kurie abzuwarten. Als hierauf die Kurie die Investitionsbullen in der 
üblichen Form ausfertigt (Aemilius Loubet, Praeses Reipublicae Gallorum 
nominavit Nobis), protestiert die Regierung gegen das Nobis, weil hier- 
durch das unbedingte Ernennungsrecht der französischen Regierung zu einer 
bloßen Designation herabgedrückt würde. 
27. Februar. Der Senat genehmigt in erster Linie das 
Gesetz über die zweijährige Dienstzeit mit 236 gegen 33 Stimmen. 
10. März. (Kammer.) Erörterung über die auswärtige 
Politik. Abrüstungsfrage; Mittelmeer, Makedonien. 
Abg. Millevoye (Nationalist) führt aus, die sozialistischen Ideen 
über Entwaffnung seien Träumereien. Das beste Unterpfand des Friedens 
sei stete Kriegsbereitschaft und das französisch-russische Bündnis. Rußland 
sei es gewesen, welches im Jahre 1875 Deutschland daran verhindert habe, 
Frankreich endgültig den Garaus zu machen. Daß der Friede in Europa 
erhalten worden sei, verdanke man dem Kaiser Alexander III. Das Recht 
Frankreichs auf Elsaß-Lothringen sei unbestreitbar und eine Entwaffnung 
sei unmöglich, bevor diese Frage gelöst sei. Welche Rolle werde Frankreich 
im Orient spielen, wo ein allgemeiner Brand im Balkangebiete auszu- 
brechen drohe? 
Abg. Delafosse (kons.) bespricht die in Marokko herrschende An- 
archie und meint, daß die wiederholten Aufstände dort auf europäische 
Intriguen zurückzuführen seien. Die Marokkofrage werde sich auf der 
Grundlage eines Uebereinkommens zwischen Frankreich, England und 
Spanien lösen lassen, durch welches die Meerenge von Gibraltar für neutral 
erklärt werde. 
Abg. Pressensé (Soz.): Europa mühsse die makedonischen Wirren 
ordnen. Makedonien müsse einen unabhängigen Gouverneur haben, der 
sich auf gewählte Körperschaften stütze. Die Verwaltung des Landes müsse 
unter Kontrolle einer europäischen Kommission gestellt werden. 
Minister des Auswärtigen Delcassé: Die Meerenge von Gibraltar 
müsse frei bleiben für alle Völker. Die Unabhängigkeit Marokkos sei die 
Hauptbedingung für die Sicherheit der französischen Besitzungen in Nord- 
afrika. Frankreich habe in Marokko beträchtliche Handelsinteressen und 
müsse deshalb vorsichtig handeln. Er halte die Lage in Marokko nicht 
für ernst. In der Venezuelafrage habe Frankreich das Bestreben der Ver- 
einigten Staaten unterstützt, die verbündeten Mächte zur Annahme der 
 
	        
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