302 Italien. (Juni 28.— August 5.)
W. Juni. Die Kammer bewilligt sechs provisorische Budget-
zwölftel und vertagt sich.
28. Juni. (Rom.) Die Vereinigung der Handelskammern
erklärt in einer Resolution, sie halte Kornzölle im Hinblick auf
die bevorstehende Erneuerung der Handelsverträge mit Osterreich=
Ungarn, Deutschland und der Schweiz für nicht opportun.
Anfang Juli. Der „Giornale d'Italia“ behauptet, der Zar
habe seinen auf Oktober festgesetzten Besuch beim italienischen Hof
auf das kommende Jahr verschoben. Der Hofpräfekt erklärt, er
wisse nichts davon.
11. Juli. Der König schiebt infolge der Krankheit des Papstes
die Reise nach Paris auf.
Die „Tribuna“ schreibt darüber: „Angesichts des Zustandes des
Papstes ist die Reise des Königs nach Paris infolge eines Uebereinkommens
zwischen Frankreich und Italien auf September verschoben worden. Die
Vereinbarung entspringt nicht politischen Erwägungen, sondern moralischen
Gründen der Menschlichkeit und der Zivilisation, und wird ihrem wahren
Sinne nach gewürdigt werden. Das Papsttum hielt sich im Kriegszustande
gegenüber Italien, das eine ganz besonders höfliche Nation hat und das,
wenn es auch seine Stellung im Kampfe behauptet hat, doch dem Haupte
der katholischen Kirche gegenüber Rücksicht nimmt. Italien hätte gekonnt,
ßes wollte sich aber nicht daran erinnern, daß das Papsttum seine Jubiläums-
feierlichkeiten wegen des Todes König Humberts nicht unterbrach. Die
Verschiebung der Reise wird Beifall bei der gesitteten Welt finden.“
1. August. (Udine.) Der Finanzminister über Italiens
wirtschaftliche Lage.
Bei der Eröffnungsfeier einer Landwirtschafts= und Industrie-Aus-
stellung der Provinz Venedig hält der Finanzminister Carcano eine Rede
über die wirtschaftliche, industrielle und Finanzlage Italiens. Die Steige-
rung der landwirtschaftlichen Produktion und die Entwicklung der indu-
striellen Tätigkeit, insbesondere die weitgehende Verwendung der Elektro-
technik und der Dampfkraft schreite immer fort. Auch der Handel entwickele
sich stetig. Die verzinslichen Einlagen in den Sparkassen beliefen sich auf
3 Milliarden. In dem mit dem 30. Juni 1901 zu Ende gegangenen
Finanzjahr habe der Ueberschuß mehr als 41 Millionen und im Finanz-
jahre 1901/002 32 Millionen betragen, auch für das mit dem 30. Juni ds.
Is. beendete Finanzjahr werde sich ein Ueberschuß von rund 60 Millionen
ergeben. Die italienische Rente stehe über pari; das Agio sei verschwunden.
Demgemäß sei die Fortführung der Steuerreformen erleichtert, und man
werde bald an die Konversion der Rente gehen können (vgl. Bödiker, Wirt-
schaftliches und Politisches aus Italien. Preuß. Jahrb. Bd. 114).
5. August. Italien und die Papstwahl.
Ministerpräsident Zanardelli richtet folgendes Telegramm an die
Präfekten: Der neue Papst hat uns seine Wahl nicht mitgeteilt; ich be-
nachrichtige Sie daher, daß die Staatsbeamten an den kirchlichen Feiern,
die aus dem Anlasse dieser Wahl stattfinden werden, nicht teilnehmen
nnen.