Jialien. (August 6.—September 2.) 303
6. August. (Neapel.) Schluß eines Prozesses gegen den
früheren Bürgermeister Summonte und den früheren Deputierten
Lasale. Sie werden nebst elf anderen Angeklagten wegen betrüge-
rischer Schädigung der Gemeinde Neapel zu längeren Gefängnis-
strafen verurteilt.
Ende August. Agitation der Sozialdemokraten gegen den
Zarenbesuch.
Der „Avanti“ schreibt: „Das jüngst gewählte Geheimkomitee der
Volksparteien, um S. M. Nikolaus II., Kaiser von Sibirien und anderer
trostlosen Gegenden, einen gebührenden Empfang zu bereiten, hat nach-
stehendes Programm aufsgestellt: 1. Verbreitung von Schriften zu einem
Centesimo und zu zwei Soldi, durch die das Volk aufzuklären ist, über die
Frage: „Was ist der Zarismus?" 2. Vorträge, die zu einer bestimmten
Zeit den großen Städten gehalten werden sollen. 3. Ausgiebigste Vertei-
lung der Zarenfluchtpfeife (20 Stück für einen Soldo). 4. Oeffentliche Kund-
gebung vor den russischen Konsulaten. 5. Kundgebungen längs der Bahn-
linie, die der Zarenzug passieren wird. 6. Besondere Kundgebungen dort,
wo der Zar aussteigen wird. 7. Aufruf an die gesamte demokratische
Presse, die Protestbewegung gegen diesen Besuch zu fördern, da er eine
Beleidigung der liberalen Ueberlieferungen Italiens, wie der Zivilisation
edeutet.“"
27. August. Durch einen Zusammenstoß zweier Militärzüge
bei Udine werden 9 Personen getötet und viele verwundet.
31. August. 2. September. (Rom.) Prozeß wegen Kritik
der Marineverwaltung durch den „Avanti“.
Nach der „Köln. Volksztg.“ ist folgendes die Ursache des Prozesses:
„Der Avanti veröffentlichte ein Schreiben eines Marinesoldaten, worin es
hieß, daß das Bordkommando während des 15tägigen Urlaubs der Matrosen,
deren Gutschein auf 70 Cents für tägliche Proviantlieferung lautet, dem
betr. Unternehmer einreicht, aber dafür keinen Mundvorrat einzieht, son-
dern sich mit 40 Cents in Bargeld pro Person begnügt. Diese 40 Cents
gehen in eine Kasse für sogenannte Geheimfonds, in die sich meistens die
Offiziere der Marineverwaltung teilen. Bei der häufigen Urlaubserteilung
erreichen die Gelder eine nicht unbeträchtliche Höhe. Die übrigbleibenden
30 Cents behält der Lieferant für sich, ohne daß er einen Gegendienst
dafür geleistet hat. An Bord befindet sich auf jedem Schiff ein Angestellter
als Vertreter des Lieferanten, der vom Staat ein gewisses Gehalt erhält.
Dieses Gehalt wird von dem betreffenden Beamten nicht erhoben, vielmehr
angeblich von dem Schiffskommissar oder dem zweiten Kommandanten ein-
gestellt. Zu einem zweiten Schreiben behauptet der Avanti, daß die der
Prüfungskommission für Lebensmittel angehörigen Marinesoldaten alles
für gut befinden müssen, was ihnen vorgewiesen wird, andernfalls wandern
sie in den Arrest. Bei dem Kommisbrot würde das vorgeschriebene Ge-
wicht nie eingehalten."“
Infolge dieses Artikels verklagen 35 Offiziere und Maschinisten den
„Avanti“ wegen Beleidigung. — 2. September werden die Kläger abge-
wiesen und zu den Kosten verurteilt, und zwar mit der Begründung, daß
die Angriffe des Avanti nicht gegen sie persönlich, sondern gegen das
Offizierskorps und die Marineverwaltung im allgemeinen gerichtet ge-
wesen seien.