Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Bie Rämische Kurie. (August 4.) 311 
händigen Verfügung vom 8. Februar 1900. Wir haben im Testamente 
keine Verfügungen zugunsten Unseres Neffen Camillo und Unserer Nichten 
Anna und Maria, sowie der Söhne und Töchter Unseres Bruders Gio- 
vanni Battiste getroffen, da Wir bei Lebzeiten für dieselben gelegentlich 
ihrer Heirat schon in angemessener Weise gesorgt haben. Wir erklären, 
daß niemand aus Unserer Familie irgendwie ein Recht an alledem geltend 
machen kann, was nicht in gegenwärtiger Urkunde in Betracht gezogen ist; 
denn alles sonstige Gut jegicher Art ist Uns in Unserer Eigenscheit als 
Pontifex zugefallen, und es ist daher — jedenfalls wollen Wir, daß es so 
sei — unantastbares Eigentum des heiligen Stuhles. Wir übertragen die 
ganaue Vollstreckung Unseres Willens den Kardinälen Rampolla, Mogcenni 
und Cretoni und erklären, daß dieses Unser letzter Wille ist. 
Rom, im Vatikan, 8. Juli 1902. 
(gez.) Giovacchino Pecci, Leo P. P. XIII." 
4. August. Kardinal Sarto, Patriarch von Venedig, wird 
zum Papst gewählt und nimmt den Namen Pius X. an. 
Kardinal Giuseppi Sarto entstammt einer Bauernfamilie und ist 
am 2. Juni 1835 in Riese (Venezien) geboren. Am 10. November 1884 
ist er zum Bischof von Mantua präkonisiert, am 15. Juni 1893 zum Patri- 
archen von Venedig ernannt worden. 
Das Konklave war am 31. Juli zusammengetreten. 62 Kardinäle 
von dem 64 Mitglieder starken Kollegium sind anwesend. In den Ab- 
stimmungen handelt es sich zunächst um Rampolla, Gotti und Vannu- 
telli, die Kandidatur Sartos taucht erst später auf. Am 3. August hat 
Rampolla 27 Stimmen. Hierauf macht Kardinal Gruscha im Namen 
der österreichisch-ungarischen Regierung das Recht der Exklusion gegen 
Rampolla geltend. Rampolla protestiert (nach der „Tribuna“) gegen 
diese Erklärung im Namen der Freiheit der Kirche, lehnt aber die An- 
nahme einer eventuellen Wahl ab. Nach weiteren Verhandlungen, in denen 
zunächst Rampolla 35 Stimmen erhält, wird darauf Kardinal Sarto ge- 
wählt. — Nach Behauptungen von italienischen und französischen Blättern 
hat die österreich-ungarische Regierung im Einvernehmen mit Deutschland 
gehandelt, was deutsche Blätter bestreiten (S. 121). 
Die „Voce della Verita“ schreibt: das Veto sei in einer rauhen, 
verwegenen und unhöflichen Form ausgeübt worden. Es sei eine gesetz- 
widrige Einmischung, ein ungeheurer Angriff und eine Beleidigung gegen 
das Kardinals-Kollegium; Italien habe das Veto veranlaßt; das Wiener 
„Fremdenblatt“, das das Veto verteidige, (S. 208) sei der Offiziosus des 
Dreibundes. 
. Ueber den Wahlgang teilt das „Giornale d'Italia“ mit: Es hätten 
erhalten am 1. August morgens: Rampolla 24, Gotti 17, Sarto 5, Sera- 
fino Vannutelli 4, Oreglia, Capecelatro und Di Pietro je 2, Agliardi, Fer- 
rata, Richelmy, Portanova, Casetta und Segna je 1 Stimme; abends: 
Rampolla 29, Gotti 16, Sarto 10, Richelmy 3, Capecelatro 2, Serafino 
Vannutelli und Segna je 1 Stimme; am 2. August morgens: Rampolla 
29, Sarto 21, Gotti 9, Oreglia, Di Pietro und Capecelatro je 1 Stimme; 
abends: Rampolla 30, Sarto 24, Gotti 3, Oreglia und Di Pietro je 2, 
Capecelatro 1 Stimme; am 3. August morgens: Sarto 27, Rampolla 24, 
Gotti 6, Oreglia, Capecelatro, Prisco und Di Pietro je eine Stimme, 
eine Stimme „nemini“; abends: Sarto 35 Rampolla 16, Gotti 7, Oreg- 
lia 2, Capecelatro 1 Stimme, 1 Stimme „nemini“; am 4. August morgens 
Sarto mit fünfzig Stimmen gewählt, Rampolla 10, Gotti 2 Stimmen. Bei 
der letzten Abstimmung soll Sarto für Gotti gestimmt haben. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.