Belgien. (Februar 10. —Juli 8.) 317
10. Februar. (Brüssel.) Das Schwurgericht verurteilt den
Anarchisten Rubino, der am 15. Februar 1902 das Attentat gegen
den König unternommen hatte, zu lebenslänglichem Zuchthaus.
15. Februnr. Die Kammer genehmigt mit 83 gegen
24 Stimmen einen Gesetzentwurf über Erhöhung der Abgaben auf
alkoholartige Getränke und über die Aufhebung des Kaffeezolles.
Der Zoll auf Branntwein wird bis zu 50 Prozent des Gay-Lussac-
schen Alkoholometers bei 15 Grad Temperatur Celsius auf 175 Francs
erhöht; bei mehr als 50 Prozent Alkohol für jeden Grad darüber hinaus
3,50 Fr. mehr. Dieses für Verpackung in Gebinden. Bei Flaschenfüllung
wird ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt ein einheitlicher neuer Zoll von
350 Fr. für 100 Liter festgesetzt. Letzter Satz gilt unterschiedslos für alle
Liköre. Andere alkoholische Getränke werden besteuert, wenn sie bis 20 Proz.
Alkohol enthalten mit 70 Fr., wenn sie von 20 bis 50 Proz. enthalten mit
175 Fr., wenn mehr als 50 Proz. mit 350 Fr. die 100 Liter. Der An-
trag wird am 12. Februar ohne vorherige Mitteilung unerwartet von der
Regierung eingebracht, die Rechte beschließt auf Verlangen der Regierung
sofortige Beratung, die Linke bekämpft ihn durch Obstruktion. Daher dauert
die Sitzung vom 12. Februar mit einigen Pausen bis zum 15. Februar
morgens.
17. Februar. Der Senat genehmigt das Alkoholgesetz gegen
die Stimmen der Linken.
Anfang Mai. (Antwerpen.) Ein flämischer Kongreß for-
dert die Regierung auf, den freien (unter bischöflicher Leitung
stehenden) Schulen die Staatssubvention zu entziehen, falls sie die
flämische Sprache im Unterricht nicht berücksichtigen.
Juni. Der Kongostaat und England.
Das amtliche Organ des Kongostaats protestiert gegen die Angriffe
im englischen Parlament (S. 251): Grausamkeiten gegen die Neger seien
wie in anderen Kolonien unvermeidlich, und die Schuldigen würden streng
bestraft; es sei verwunderlich, daß England sich erst jetzt über die Mono-
pole beschwere, obwohl sie schon seit 10 Jahren beständen (1. Juni).
Am 29. Juni überreicht England eine amtliche Note, die gegen die
Grausamkeiten und die Handelsmonopole protestiert.
1./8. Juli. (Kammer.) Debatte über den Kongostaat.
Abg. Lorand kritisiert die Verwaltung des Kongostaats scharf wegen
der Mißhandlung der Eingeborenen. Min. des Ausw. Favereau: Die
Regierung verfolge streng alle Akte von Grausamkeit. Das System der
Naturalienabgaben sei für die Eingeborenen sehr vorteilhaft. Zahlreiche
Persönlichkeiten aus England und Amerika hätten die hervorragende Organi-
sation des Kongostaates und die menschliche Behandlung der Schwarzen
anerkannt. Das Ausland werde einst das dort vollbrachte, bewunderns-
werte Werk der Zivilisation preisen. Minister Woeste hebt die Frevel-
taten und blutigen Ereignisse hervor, die in dem zivilisierten Europa vor-
kämen. Wie könne man solche in einem Staate verhindern, der S2mal
größer sei als Belgien? „Wir suchen ihnen Einhalt zu tun. Wir ver-
langen, daß England seinem Verleumdungsfeldzuge ein Ende macht.“ —
Abg. Jansen: de Untersuchung würde ergeben, daß in dem Kongostaate