Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

398 Mebersict der volitischrn Entwichelung des Zahres 1903. 
sierte dort den Aufstand. Sein Ziel war offenbar, die Türken zu 
blutigen Reprefsalien zu reizen und dann mit Hülfe der öffentlichen 
Meinung in Europa die Mächte, zunächst Rußland, zum Ein- 
schreiten gegen die Pforte zu zwingen; in dem dann folgenden 
Kriege mochte er hoffen, die Vereinigung Makedoniens mit Bul- 
garien zu erreichen. In solchen Gedanken ließen sich die Make- 
donier zu den Dynamit-Attentaten in Saloniki hinreißen, wobeie 
die Ottomanbank und ein franzöfisches Schiff Schaden litten. Aber 
anstatt durch diese Zerstörung europäischen Eigentums die europä- 
ischen Mächte zur Intervention zu drängen, wie sie gehofft hatten, 
kompromittierten sie vielmehr ihre Sache, und die strengen türkischen 
Gegenmaßregeln wurden hierdurch gerechtfertigt. Einen Augenblick 
schien es, als ob mit den Verbrechen in Saloniki die makedonische 
Bewegung ihren Höhepunkt überschritten habe. Es gelang den 
Türken, ähnliche Vorkommnisse zu verhüten und die Albanesen 
niederzuwerfen, während gleichzeitig — in den Sommermonaten 
während der Ernte — die bulgarische Agitation nachließ. Aber 
unmittelbar nach Beendigung der Ernte (Anfang August), traten 
die bulgarischen Banden in Makedonien stärker als früher auf; 
bis nach Adrianopel drangen sie vor, und von Bulgarien erhielten 
sie unaufhörlich Unterstützung; bulgarische Offiziere fochten in ihren 
Reihen, obgleich die Regierung den Schein der Neutralität wahrte. 
Einen vortrefflichen Agitationsstoff lieferte den Anführern die Lang- 
samkeit, mit der die Türkei die Reformen ausführte, und als aber- 
mals ein russischer Konsul dem albanesischen Fanatismus zum 
Opfer fiel (August), glaubten sie die Unterstützung Rußlands nahe, 
da die russische öffentliche Meinung hierüber in große Erregung 
geriet. Das Mittel, die Neigung zur Einmischung durch Bedro- 
hung europäischer Interessen zu verstärken, versuchten sie wiederum: 
sie wandten sich gegen die Eisenbahnen, sprengten einen Zug in 
die Luft und legten durch Zerstörung von Tunnels und Brücken 
den Verkehr auf der Hauptorientlinie zeitweilig lahm. Der ge- 
wünschte Erfolg blieb abermals aus; der Sultan besänftigte die 
russische Regierung durch schleunige Genugtuung für den Mord 
und setzte eine große Truppenmacht von mindestens 200000 Mann 
gegen die Makedonier in Bewegung (August). Der Rassen- und
	        
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