174 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 12.)
Etats vorzulegen. Die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn sind, wie
den Herren bekannt ist, auf dem toten Punkt angelangt und mußten wegen
erheblicher Meinungsverschiedenheiten abgebrochen werden. Infolge von
Mitteilungen, die uns jetzt von österreichisch-ungarischer Seite gemacht sind,
ist Aussicht vorhanden, auch mit diesem unserem Nachbarstaate zu dem
gewünschten Einverständnis zu kommen. Selbstverständlich halten wir
daran fest, daß, entsprechend den von mir in diesem hohen Hause ab-
gegebenen Erklärungen, wir nur einem Handelsvertrage unsere Zustim-
mung geben und die Ihrige nachsuchen können, der uns eine genügende
Garantie gewährt, daß das deutsche Vieh vor Seuchengefahr geschützt bleibt.
Auch haben wir hinsichtlich der österreichischen Einfuhrzölle Wünsche, die
im Interesse unserer Exportindustrie zu erfüllen sind, wenn Handelsver-
träge zu stande kommen sollen. Da das Einbringen der bereits fertig-
gestellten sechs Handelsverträge die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn
stören würde, während andererseits nach der Geschäftslage dieses Hauses
die volle Durchberatung der Verträge nicht sicher erscheint, werden die ver-
bündeten Regierungen Ihnen die neuen Handelsverträge erst gleich nach
den Weihnachtsferien vorlegen. Wir werden bestrebt sein, dahin zu wirken,
daß das Inkrafttreten der neuen Verträge und des neuen Zolltarifs da-
durch keine Verzögerung erleidet. Unter diesen Umständen darf ich an
dieses hohe Haus die Bitte richten, in eine Besprechung der handelspoli-
tischen Situation zur Zeit nicht einzutreten.
12. Dezember. Missionen und Eingeborenenpolitik in Süd-
westafrika.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt: „Der Reichskanzler
Graf Bülow richtete an den Missionsinspektor Hausleiter in Barmen be-
züglich der Vorschläge der Mission über eine Friedensvermittlung in Süd-
westafrika am 8. d. M. ein Schreiben, in welchem er sagt, er freue sich, in
der Frage der Behandlung der zur Unterwerfung bereiten Eingeborenen
in allen wesentlichen Punkten mit der Auffassung der Mission sich im Ein-
klang zu befinden. Bei der durch Gründe der Menschlichkeit und durch
praktische Erwägungen gebotenen Notwendigkeit, die völlige Vernichtung
des Hererovolkes zu verhindern, erschienen ihm die von der Mission an-
gebotenen guten Dienste besonders wertvoll. Denn bei der Vertrautheit,
welche die Mission durch ihre langjährige Tätigkeit im Hererolande mit
Sitte und Denkungsart der Eingeborenen gewonnen habe, werde es der
Mission leichter als anderen Instanzen gelingen, die Eingeborenen zur
Unterwerfung zu bestimmen und der friedlichen Tätigkeit wieder zuzu-
führen. Das nächste sei, die Unterbringung und Versorgung namentlich
der Frauen und Kinder zu übernehmen. Die Einzelheiten des von der
Mission aufgestellten Programms würden auf ihre Zweckmäßigkeit und
Durchführbarkeit allerdings nur an Ort und Stelle beurteilt werden können.
In den Grundzügen erscheine es ihm außerordentlich dankenswert. Er
werde deshalb die örtlichen Behörden anweisen, die guten Dienste der
Mission anzunehmen.“
12. Dezember. (Berlin.) Dr. Friedrich Hammacher †.
Geboren 1. Mai 1824 in Essen, studierte Jura, trat 1848 aus
dem Staatsdienst, widmete sich seitdem kaufmännischen Geschäften. 1864
Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, 1869—1898 Mitglied
des Reichstags, Führer der nationalliberalen Partei, besonders in indu-
striellen und kolonialen Fragen tätig. Er war Mitbegründer des Ko-
lonialvereins.