Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

6        Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12.—14.) 
die Kosten pro Mann nicht werden. Was die Behandlung der Hereros an- 
lange, so sei General v. Trotha von dem Reichskanzler telegraphisch angewiesen 
worden, allen freiwillig sich ergebenden Hereros, abgesehen von den un- 
mittelbar Schuldigen und den Führern, Aufnahme zu gewähren. Auch 
die guten Dienste der Missionen für die Unterbringung der Hereros soll 
er annehmen. 
                12. Januar. (Reichstagswahl.) Bei der Ersatzwahl in 
Calbe-Aschersleben erhält Albrecht (Soz.) 19013, Placke (ntl.) 
11785, Rahardt (Mittelstandspartei und Bund der Handwerker) 
8147, Dr. Fleischer (Zentr.) 454 Stimmen. Bei der Stichwahl 
am 24. erhält Albrecht 21719, Placke 19433  Stimmen. 
            13. Januar. (Lippe-Detmold.) Fürst Alexander, 73 Jahre 
alt, in der Heilanstalt St. Gilgenberg bei Bayreuth t. — Die 
Regentschafts- und Thronfolgefrage wird hierdurch nicht berührt; 
bis zur Entscheidung des Bundesrats führt Graf Leopold die Regent- 
schaft weiter (vgl. 1904 S. 149). 
              Januar/Februar. (Preußen.) Bergarbeiterstreik. 
             Seit Anfang Januar zeigt sich eine starke Gärung unter den Berg- 
arbeitern, besonders im Ruhrrevier, die hervorgerufen ist durch Zechenstill- 
legungen, Arbeiterentlassungen, Lohnstreitigkeiten, Arbeitsverlängerungen. 
Die Arbeiter beschweren sich über die Praxis, die Ein- und Ausfahrt in 
die Arbeitszeit nicht miteinzurechnen, über das Sinken der Löhne seit 1900, 
über hohe Geldstrafen, rigoroses Wagennullen und schlechte Behandlung 
durch Vorgesetzte. Mitte Januar bricht der Streik aus im Ruhrrevier, 
am 14. streiken 60000, eine Woche später 200000 Mann von 270000.— 
Die Regierung weist das Oberbergamt in Dortmund an, zu vermitteln; 
Oberberghauptmann v. Velsen reist ins Streikgebiet, findet aber bei den 
Zechenbesitzern kein Entgegenkommen. Die Arbeitgeber wollen nicht eine 
Verhandlung mit der Gesamtheit der Arbeiter, sondern nur zwischen ein- 
zelnen Zechen und einzelnen Arbeitern. — Die öffentliche Sympathie steht 
großenteils auf der Seite der Arbeiter infolge der Haltung der Arbeit- 
geber. In den westfälischen Städten wird für die Ausständigen gesammelt, 
Erzbischof Fischer von Köln schenkt den christlichen Gewerkschaften 1000 Mark, 
der evangelisch-soziale Kongreß fordert zur Unterstützung der Arbeiter auf, 
ohne alle ihre Forderungen billigen zu wollen. 
Am 9. Februar beantragten die Führer der Arbeiter (eine Kom- 
mission von sieben Mitgliedern) die Wiederaufnahme der Arbeit, obgleich 
die Mittel noch nicht erschöpft seien. Man müsse die Sympathie der öffent- 
lichen Meinung behalten, um mit ihrer Hilfe die versprochenen Regierungs- 
maßregeln zur Besserung der Lage der Bergarbeiter durchzusetzen. Der 
Streik wird beendet gegen den Willen einer radikal-sozialistischen Minder- 
heit, die die Führer des Verrats beschuldigt und einige persönlich bedroht. 
— Nach dem allgemeinen Urteil hätte der Streik 1—2 Wochen später 
aus Mangel an Mitteln aufhören müssen. 
             14./17. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Erste 
Lesung des Etats. Eisenbahnen, Handelsverträge, Bergarbeiterstreik, 
Polenfrage.
	        
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