Das Deuttsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14./17.) 7
Abgeordneter Graf Limburg-Stirum (kons.) wünscht den Ver-
handlungen über Eisenbahnbetriebsmittelgemeinschaft guten Erfolg, erklärt
sich aber gegen die Reichsbetriebsmittelgemeinschaft. In der Polenpolitik
sei das Verbot der polnischen Sprache in öffentlichen Versammlungen zu
empfehlen. Die Landwirtschaft habe zwar im preußischen Staatsministerium
warme Freunde, werde aber von der Reichsregierung vernachlässigt. Durch
rechtzeitige Kündigung der bestehenden Handelsverträge hätten bessere er-
zielt werden können. Abgeordneter Herold (Zentr.) sieht den Etat als
günstig an. Insbesondere seien die Eisenbahneinnahmen mit 61/2 Prozent
Verzinsung sachgemäß. Man solle nicht auf Ermäßigung, sondern Verein-
fachung der Personentarife hinarbeiten. Das Eisenbahnnetz müsse noch
schneller als bisher ausgebaut werden, um entlegene Gebiete wirtschaftlich
zu erschließen. Die Landwirtschaft müsse gefördert werden, denn wie die
Bevölkerungsstatistik zeige, liege in ihr die Wurzel unserer Kraft. Der
Bergarbeiterstreik sei betrübend, dürfe aber den Arbeitern nicht allein zur
Last gelegt werden, denn Mißstände seien vorhanden, wie das Haus schon
1892 anerkannt habe. Der Kampf gegen das Polentum entfremde die
Polen den Deutschen und stärke sie innerlich.
Ministerpräsident Graf Bülow sagt über die Handelsverträge: Seit-
dem ich zum letzten Male hier über die Handelsverträge sprach, ist es uns
gelungen, nicht ohne Überwindung größerer Schwierigkeiten mit sechs aus-
wärtigen Staaten Handelsverträge zu vereinbaren, ein Erfolg, der von
mancher Seite für ausgeschlossen gehalten wurde. Mit Österreich-Ungarn
sind die Verhandlungen soweit gefördert, daß es sich in den allernächsten
Tagen entscheiden muß, ob wir im allgemeinen zu dem erwünschten Er-
eignis kommen. Würden wir die sechs Verträge dem Reichstage vorlegen,
so würden unsere Verhandlungen mit Österreich in hohem Grade erschwert.
Wenn ich die Angelegenheit lediglich aus dem Grunde gefährdet hätte, um
die parlamentarischen Verhandlungen um acht bis zehn Tage früher zu
ermöglichen, so wäre das unverantwortlich gewesen. Die Frage wegen
der Kündigung der Handelsverträge wird, wie ich hoffe, ihre Lösung da-
durch finden, daß wir sechs Verträge fertiggestellt haben und hoffentlich
auch den siebenten in kürzester Frist einbringen werden. Ich möchte noch
eins hinzufügen: Handelsverträge rasch abzuschließen, ist kein diplomatisches
Kunststück. Dazu braucht man nur Konzessionen zu machen. Wenn wir
aber Handelsverträge zustande bringen wollen, mit denen unsere Land-
wirtschaft und auch unsere Exportindustrie leben kann, so mußte das
Terrain Schritt für Schritt erobert werden. Die wirtschaftliche Politik
der verbündeten Regierungen ist auch in den Handelsvertragsverhandlungen
von dem Bestreben geleitet, festzuhalten an den beiden wohlbewährten
Grundsätzen einerseits des Schutzes der nationalen Arbeit, andrerseits der
Erneuerung langfristiger Handelsverträge. Die Erfahrung der letzten zehn
Jahre hat bewiesen, daß dieses Ziel im wesentlichen für Handel und In-
dustrie erreicht ist, nicht aber für die Landwirtschaft (Sehr richtig! rechts!),
und daß für die Landwirtschaft eine Erhöhung des Schutzes unbedingt
notwendig ist. Dieser verstärkte Schutz für die Landwirtschaft soll nach
der Ansicht der königlichen Staatsregierung die Signatur der neuen Handels-
verträge bilden. Wir durften aber dabei nicht die Möglichkeit aus dem
Auge verlieren, auch die Interessen unseres Handels und unserer Industrie
entsprechend wahrzunehmen. Ich glaube, daß die Schwierigkeiten solcher
Vertragsverhandlungen von manchen Stellen doch erheblich, daß sie an
manchen Stellen ungeheuer unterschätzt werden. Ich kann Sie versichern,
daß die mit den Handelsvertragsverhandlungen betrauten Ressorts, die
daran beteiligten Männer, insbesondere die beiden Herren Staatssekretäre