Das Denische Reihh und seine einzelnen Glieder. (Dezember 6./15.) 143
Staaten beeinträchtigt werden, welche bei den früheren marokkanischen Kon-
ferenzen mitberaten haben und jetzt nicht von Frankreich befragt worden
sind. Der Einwand offiziöser französischer Blätter, daß es sich bei den
früheren Konferenzen nicht um eine politische Aenderung, sondern lediglich
um die Regelung privatrechtlicher Interessenfragen gehandelt habe, ist
rabulistisch und nicht stichhaltig. Denn eine Aenderung, wie die Tunifi-
kation von Marokko, welche darauf hinausläuft, die nichtfranzösischen Ele-
mente nach dem Vorgange von Tunis gänzlich aus dem marokkanischen
Geschäftsleben zu verdrängen, berührt selbstverständlich die fremden Privat-
interessen in ihrer Gesamtheit. Eine Befragung der Vertragsstaaten ist
daher nicht zu vermeiden, sofern Frankreich nicht den Rechtsboden verlassen
und lediglich die Machtfrage stellen will. Was England und auch Spanien
angeht, so bestreiten wir keiner der beiden Regierungen das Recht, über
die marokkanischen Interessen ihrer Untertanen für Gegenwart und Zukunft
nach Gutdünken zu verfügen. Wir glauben aber nicht, daß eine der beiden
den Anspruch erhebt, gleichzeitig über die Interessen der Angehörigen der
übrigen Vertragsstaaten, z. B. über die Deutschen, zu disponieren. Diese
unsere Annahme wird gestützt durch den Artikel des englisch-französischen
Vertrags, wo die Erhaltung des Status quo ausdrücklich vorgesehen ist.
Es werden jetzt in der englischen Presse große Anstrengungen gemacht, um,
wie dies übrigens schon seit Jahren gebräuchlich ist, der deutschen Politik
allerlei düstere Pläne unterzuschieben. Auf unsere Lage paßt der Spruch:
Cet animal est tres méchant, qguand on l’attaque, il se défend. Wir
treten für unsere Interessen ein, über welche, anscheinend ohne unsere ver-
tragsmäßige Zustimmung, verfügt werden soll. Die Bedeutung der Inter-
essen ist dabei Nebensache. Derjenige, welchem Geld aus der Tasche ge-
nommen werden soll, wird sich immer nach Möglichkeit wehren, gleichviel,
ob es sich um 5 Mark oder um 5000 handelt. Daß wir wirtschaftliche
Interessen in Marokko haben, bedarf keines Beweises. Wenn wir dieselben
stillschweigend preisgeben, so ermuntern wir damit die zuschauende Welt
zu ähnlichen Rücksichtslosigkeiten gegen uns bei anderen, vielleicht größeren
Fragen. Euere Exzellenz werden also da, wo Sie eine Besprechung der
Marokkopolitik für angezeigt halten, sagen können, daß Deutschland in
Marokko für die Interessen seiner Reichsangehörigen eintritt, welche dort
identisch sind mit den Interessen der Angehörigen aller übrigen Vertrags-
staaten und mit der Erhaltung der offenen Tür; ferner, daß Deutschland
nicht die Absicht hat, bei diesem Anlaß durch Sonderverhandlungen sich
Sondervorteile, welcher Art es auch sei, in Marokko oder anderswo zu
verschaffen.“ In Uebereinstimmung mit diesem Gesichtspunkte haben wir
von dem Augenblick an, wo die Marokkofrage nicht durch unsere Schuld
in ein akutes Stadium getreten war, eine neue Konferenz der Madrider
Konferenzstaaten als den sichersten Weg zu einer friedlichen Lösung des
entstandenen Interessenkonfliktes angesehen. Wir haben also in dieser Frage
von Anfang an einen klaren Rechtsstandpunkt eingenommen und festgehalten.
Dieser Rechtsstandpunkt schloß die Anerkennung der besonderen Stellung
in sich ein, die Frankreich als algerischer Grenznachbar einnimmt, wie
seiner Rechte aus seinen früheren Verträgen, mußie aber gegenüber einer
unberechtigten und gefährlichen Ignorierungspolitik um so entschiedener
zur Geltung gebracht werden. (Lebhaftes Bravol) Die französische Regie-
rung hat nunmehr den Konferenzgedanken angenommen, sich mit uns über
das Konferenzprogramm verständigt; die anderen Signatarmächte, ebenso
wie auch Rußland, werden an der neuen Marokkokonferenz teilnehmen.
Es versteht sich von selbst, daß wir auf dieser Konferenz das, was wir
bisher für recht und billig gehalten haben, auch weiter vertreten und ver-