Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

8      Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14./17.)  
 
des Innern und des Auswärtigen, summam diligentiam prästieren, daß 
sie mit voller Dampfkraft arbeiten und für ihre Arbeit Anerkennung ver- 
dienen, und deshalb möchte ich an dieses hohe Haus die Bitte richten, die 
ohnehin schwierigen Verhandlungen nicht noch schwieriger zu gestalten durch 
ein zu schroffes Drängen oder durch Erörterung der Einzelheiten, auf die 
ich in der gegenwärtigen Lage unmöglich eingehen kann. Ich bitte Sie, 
zu der königlichen Staatsregierung und zu den verbündeten Regierungen 
das Vertrauen zu haben, daß sie in dieser für unsere Zukunft so hoch- 
wichtigen Frage die Interessen des Landes und aller Erwerbsstände ge- 
wissenhaft wahrnehmen werden... Über die Ostmarkenfrage sagt er: 
Sobald uns die großpolnische Agitation in Ruhe läßt, wird der Kampf 
aufhören und wird Ruhe sein in den gemischtsprachigen Provinzen. Wenn 
uns bewiesen wird, daß die großpolnische Agitation in dankbarer Würdigung 
der Wohltaten des preußischen Staates und der preußischen Verwaltung, 
daß sie in der Erkenntnis der Unmöglichkeit, die letzten Ziele der groß- 
polnischen Agitation zu verwirklichen, auf den Kampf verzichtet und die 
Waffen streckt, dann wird Frieden in den gemischtsprachigen Provinzen 
herrschen. Solange aber auf uns geschossen wird, werden wir weiter- 
schießen, und zwar mit um so schärferer Munition, je klarer die groß- 
polnische Agitation ihre deutsch- und preußenfeindlichen letzten Ziele ent- 
hüllt. Der Herr Abgeordnete Herold hat weiter gemeint, wir müßten der 
polnischen Bevölkerung gegenüber mehr Entgegenkommen zeigen. Meine 
Herren, eine hundertjährige Geschichte beweist, daß, sobald der preußische 
Staat diesen Weg der Schwäche gegenüber der großpolnischen Agitation 
eingeschlagen hat, das immer zu seinem größten Schaden ausgeschlagen 
ist, und deshalb werden wir in eine solche Politik der Nachgiebigkeit, der 
Schwäche gegenüber der großpolnischen Agitation nicht wieder verfallen.... 
Ueber den Bergarbeiterausstand sagt er: Bei Streiks haben nach meiner 
Ansicht die Behörden eine doppelte Pflicht. Sie haben vor allen Dingen 
die Aufgabe, dafür einzustehen, daß unter allen Umständen die Ordnung 
und Ruhe aufrechterhalten bleibt, dafür zu sorgen, daß die Gesetze gleich- 
mäßig und gerecht zur Anwendung gebracht werden. Sie haben ferner 
alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um eine Einigung herbeizuführen. 
zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Interesse des sozialen 
Friedens, im Interesse des Gedeihens der Industrie und des Wohles der 
Arbeiter. Deshalb bin ich gern bereit gewesen, die Behörden zu einer 
solchen vermittelnden Tätigkeit zu veranlassen, und ich hoffe, daß alle 
Beamten diesen meinen Weisungen im vollen Maße und mit Eifer voller 
Unparteilichkeit nachkommen werden. Das setzt voraus, daß sich die Arbeit- 
nehmer von Ausschreitungen fernhalten, daß sie sich streng im Rahmen 
der bestehenden Gesetze halten. Ich erwarte aber auch von den Arbeit- 
gebern, daß sie den Beschwerden und Wünschen der Arbeitnehmer gegen- 
über Verständnis und Entgegenkommen zeigen. Ein allgemeiner Ausstand 
würde für unsere deutsche Kohlenindustrie, die für unser wirtschaftliches 
Leben eine so große Bedeutung hat, eine so große Rolle spielt, schwere 
Nachteile nach sich ziehen. Ein solcher Ausstand würde unsere Konkurrenz- 
fähigkeit gegenüber dem Auslande beeinträchtigen und den nationalen 
Wohlstand schädigen. Auf der anderen Seite wird jeder wahre Freund 
des Arbeiterstands die schweren Folgen beklagen, welche ein Ausstand 
zweifellos für die Arbeiter nach sich ziehen müßte. Bei jeder solchen 
Kraftprobe, möge sie nun von der einen oder anderen Seite herbeigeführt 
oder provoziert sein, ist in der Regel oder im besten Fall der Erfolg nur 
von zweifelhafter Dauer; sicher aber der augenblickliche große Schaden, 
die großen Opfer eines solchen Kampfes, hier in dem Verlust großer 
  
  
 
	        
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