Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

166 die äferreithisq·nngarishe Monarcie. (Juli Ende—August 22.) 
wirkung bei der Steuereintreibung und der Aushebung der Rekruten ver- 
sagen. Die Regierung kann mit rechtlicher Wirkung solche Beschlüsse der 
Gemeindebehörden nicht umstoßen. Falls die Regierung einzelne Beamte 
absetzen sollte, die bei der Steuererhebung und der Rekrutierung ihre 
Mitwirkung verweigern, so wird diesen Beamten nach Herstellung der 
normalen Verhältnisse volle Entschädigung für das ihnen zugefügte Un- 
recht geboten werden und die Regierung wie die Helfer werden zur Rechen- 
schaft gezogen werden. 
Ende Juli. (Ungarn.) Baron Banffy, der Führer der 
oppositionellen „Neuen Partei“ stellt als seine politischen Forde- 
rungen auf: 
Ausbau des ungarischen nationalen Staates in entschieden liberaler, 
demokratischer, nationaler Richtung, allgemeines Wahlrecht, Neueinteilung 
der Wahlbezirke, Herabsetzung des Wahlzensus, Sicherung der Staats- 
sprache, Staatspräparandien, Rechtsgleichheit der verschiedenen Konfessionen, 
Autonomie der katholischen Kirche, Reform des Ansiedelungswesens, Be- 
seitigung des Arbeitsmangels, Verhinderung der Verarmung, Beschränkung 
der Auswanderung, Steuerreform, Schutz des Existenzminimums, zeitge- 
mäße Arbeiterinstitutionen, Regelung des Versammlungsrechts, Dienst- 
pragmatik der Beamten, Verstaatlichung der Verwaltung ohne Verletzung 
der örtlichen Autonomie und der öffentlichen Freiheit. Auf dem Heeres- 
gebiete verlangt die Neue Partei „die volle Geltendmachung der (unga- 
rischen) Staatssprache, des nationalen Charakters im ungarischen Teil der 
Wehrkraft sowohl bei dem Unterricht der Offiziere wie bei der Ausbildung 
der Mannschaft und bei der Kommando-, Dienst= und Leitungssprache“. 
Gegenüber dem Herrscher will sie Vertrauen, Liebe und Anhänglichkeit 
pflegen und verlangt deshalb eine eigene Hofhaltung in Pest. Nation und 
König müßten zusammenfühlen, daher sei eine die Krone aufrichtig auf- 
klärende Politik notwendig. „Wir wollen die gesetzlichen Rechte der Krone 
achten, aber auch die Rechte der Nation sichern und zur Geltung bringen. 
Anfang August. (Ungarn.) Die Regierung kündigt halb- 
amtlich die Vorlegung eines Gesetzes zur Einführung des allge- 
meinen Wahlrechts an. 
Anfang August. (Schlesien.) Die von Koörber errichteten 
tschechischen Parallelklassen am Lehrerseminar in Troppau werden 
aufgelöst, dafür wird in Polnisch-Ostrau eine tschechische Lehrer- 
bildungsanstalt errichtet. 
10. August. (Ungarn.) Der leitende Ausschuß der Koali= 
tionsparteien erklärt alle Verordnungen der Regierung für un- 
gesetzlich und gibt den Beamten Weisungen, wie sie die Eintreibung 
der Steuern und die Aushebung der Rekruten verhindern sollen. 
16. August. (Ischl.) Zusammenkunft des Kaisers mit dem 
König von England. 
17. August. (Cisleithanien.) Der Kaiser ernennt 32 Herren- 
hausmitglieder. 
22. August. (Ischl.) Der Kaiser hält eine Ministerkonferenz
	        
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