170 HNie flerreichisch-ungarische Monarczie. (September 23. 26.)
23. September. (Wien.) Vergebliche Verhandlungen zwi-
schen den Führern der ungarischen Koalition und dem König.
Der König empfängt in der Hofburg den Grafen Andrassy, Grafen
Apponyi, Baron Banffy, Franz Kossuth und den Grafen Adalar Zichy
und forderte diese als Vertreter der Majorität des ungarischen Reichs-
tages auf, auf Grund eines annehmbaren, in voller Berücksichtigung der
von der Krone aufgestellten Bedingungen ausgearbeiteten Regierungspro-
gramms Vorschläge zur Bildung eines parlamentarischen Kabinetts zu
machen. Die Bedingungen sind: 1. die militärischen Fragen, insofern sie
die Kommando= und Dienstsprache betreffen und in denen eine Nachgiebig-
keit absolut ausgeschlossen ist und bleibt, werden aus dem Programm aus-
geschaltet: 2. die Grundlagen der Gemeinsamkeit, sowohl in bezug auf die
rmee als auch der auswärtigen Vertretungen bleiben vollkommen unbe-
rührt; 3. die Revision der 67er Basis, sofern es sich um wirtschaftliche
oder sonstige, das Verhältnis zwischen Oesterreich und Ungarn berührende
Fragen handelt, wird nicht einseitig zwischen der Krone und der unga-
rischen Nation, sondern nur im Wege eines von der Sanktion des Kaisers
abhängigen Kompromisses zwischen den beiden Staaten der Monarchie
unter der Intervention der beiderseitigen Regierungen und von ad hoc
ernannten Parlamentsdeputationen erfolgen; 4. soll die Verpflichtung
übernommen werden, daß die Staatsnotwendigkeiten, nämlich, daß der
Staatsvoranschlag, die ordentliche Rekrutierung und die Handelsverträge
votiert und die Wahl der Delegationen und der Quotendeputation vorge-
nommen werden. 5. soll die Verpflichtung übernommen werden, daß die
Kostendeckung für jene militärischen Forderungen, von denen die letzten
Delegationen einen Teil der Beträge für die Jahre 1904/05 bewilligt
haben, ferner eine auf Grund der zweijährigen Präsenz-Dienstpflicht ein-
zubringende Wehrvorlage votiert werden.
Der König weist hierauf die Koalitionsführer zur weiteren Ver-
handlung an den Minister des Auswärtigen Grafen Goluchowski. Die
Abgeordneten lehnen die Verhandlungen mit ihm ab, weil er nicht unga-
rischer Staatsbürger sei und sich nicht in innere ungarische Verhältnisse
einmischen dürfe. Der König beruft hierauf den Obersthofmarschall Graf
Cziraki zur Führung der Verhandlung. Nach einer Besprechung mit
ihm verlassen die Magyaren Wien (24. September).
26. September. (Cisleithanien.) Eröffnung des Abgeord-
netenhauses. Erklärung über das Verhältnis zu Ungarn. All-
gemeines Stimmrecht.
Ministerpräsident Frhr. v. Gautsch, von den Sozialdemokraten
mit großem Lärm begrüßt, bespricht das Verhältnis zu Ungarn. Er er-
innert an die bei seinem Amtsantritt abgegebene Erklärung, daß die Re-
gierung bereit sei, für eine loyale Durchführung der mit Ungarn getroffenen
Vereinbarungen jederzeit einzustehen. Selbstverständlich müsse aber die
österreichische Regierung auch auf der vorbehaltlosen Durchführung dieser
Vereinbarungen seitens Ungarn bestehen. Insbesondere verlange die Re-
gierung die Fortsetzung und rechtzeitige Beendigung der Handelsvertrags-
aktion. Die Regierung könne hierfür von ihrem Standpunkt irgend eine
Konzession nicht gewähren. Sie sei jedoch jederzeit bereit, hinsichtlich der
die wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse zu Ungarn berührenden
Fragen eine Revision der 1867 er Gesetzgebung unter den von der Krone
zunächst ausgesprochenen Vorbehalten und auf dem von der Krone be-
zeichneten Wege zuzugestehen. Sollte bedauerlicherweise Ungarn bezüglich