Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

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der Durchführung der Handelsverträge der Auffassung der österreichischen 
Regierung nicht zustimmen, wobei für die Regierungen kein anderer Termin 
als der 1. März 1906 bestehe, so werde die Regierung die österreichischen 
Interessen zu schützen wissen und rechtzeitig dem Hause die betreffenden 
Vorlagen unterbreiten. Für den Fall, daß verfassungsmäßige Delegations- 
beschlüsse nicht rechtzeitig zustande kämen, werde die Regierung in der 
nächsten Tagung dem Hause eine Gesetzesvorlage betr. die Beitragsleistung 
zum gemeinsamen Staatshaushalt unterbreiten. In bezug auf die Frage 
des allgemeinen Stimmrechts in Ungarn (anhaltender Lärm, Zwischenrufe 
bei den Sozialdemokraten), konstatiert der Ministerpräsident, daß die über 
seine Haltung in dieser Frage in die Oeffentlichkeit gedrungenen Mit- 
teilungen nach der Natur der Sache keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit 
erheben könnten (fortgesetzte Zwischenrufe) und tatsächlich auch in der ver- 
öffentlichten Form unrichtig seien. (Anhaltende Zwischenrufe: Warum 
haben Sie früher nicht gesprochen ?) Schon der Umstand, daß diese Mit- 
teilungen sich als Quelle auf die unter dem Vorsitz des Kaisers stattge- 
fundene Konferenz beriefen, an der außer dem Minister des Aeußern nur 
die beiden Ministerpräsidenten teilnahmen, mußte gewiß Mißtrauen hervor- 
rufen. Die bloße Zumutung, daß diese Konferenz wirklich die Quelle ge- 
bildet haben könnte, scheine ihm, dem Ministerpräsidenten, mindestens eine 
arge Beleidigung der betreffenden Minister zu enthalten. Er mühsse 
übrigens die ihm von der Oeffentlichkeit zugeschriebene entscheidende Ein- 
wirkung auf die Frage des allgemeinen Stimmrechts in Ungarn bestreiten. 
(Lebhafter Lärm.) Er halte selbstverständlich nach wie vor unbedingt an 
dem Grundsatz fest, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Ungarns 
einzumischen, gleichwie er sich dagegen verwahren müsse, daß seitens Ungarns 
in die inneren Angelegenheiten Oesterreichs irgendwie eingegriffen würde. 
(Lebhafter Beifall; Zwischenrufe.) Das hindere aber nicht, daß sich eine 
Situation ergeben habe, in der die Stimme des österreichischen Minister- 
präsidenten gehört werden müsse und gehört werden würde. In solchen 
Situationen, wo es sich um große, ihm anvertraute Interessen handle, sei 
der Ministerpräsident sich zu äußern berechtigt und verpflichtet. Und 
dieses Recht würde er sich von niemanden verkümmern lassen. (Lebhafter 
Beifall.) Aus diesen Darlegungen gehe hervor, daß die Frage der Er- 
weiterung des Wahlrechtes in Ungarn eine Angelegenheit sei, worüber er 
als Ministerpräsident hier weder sprechen könne noch dürfe. Er stehe 
aber nicht an, sich rückhaltlos über seine Haltung zum allgemeinen Stimm- 
recht in Oesterreich zu äußern. Er sei durchaus kein grundsätzlicher Gegner 
der Erweiterung des Wahlrechtes auf der breitesten Grundlage und er sei 
wiederholt für dieselbe eingetreten. Aber gerade in Oesterreich ständen 
einer so weittragenden Reform mit Rücksicht darauf Schwierigkeiten ent- 
gegen, als ein allgemeines Wahlrecht, wenn es die Gewähr seines Bestehens 
in sich tragen solle, nur auf der festen und dauernden Unterlage der 
Ordnung der nationalen Verhältnisse beruhen könne. (Anhaltende Zwischen- 
rufe.) Alles aber, was hier geschehe, müsse auf verfassungsmäßigem Wege 
geschehen; denn auf der verfassungsmäßigen Grundlage beruhten alle 
staatsrechtlichen Einrichtungen in Oesterreich. Jede gewaltsame Unter- 
brechung der legalen Entwickelung erschüttere das Rechtsbewußtsein und 
die Rechtssicherheit auf Generationen hinaus. 
In der Debatte am folgenden Tage finden u. a. die deutsche Fort- 
schrittspartei und die Sozialdemokraten, daß Gautsch seine Einmischung in 
die ungarische Wahlfrage zugestanden habe. 
26. September. (Cisleithanien.) Budget. 
Das Budget für 1906 weist eine Gesamteinnahme von 1 822027400
	        
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