Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

10       Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 17.)
 
im Einverständnis mit dem Landtage eine Engquete über die einschlägigen 
Verhältnisse veranstalten wollte, zu der die Mitglieder des bergbaulichen 
Vereins Aufklärung zu geben bereit wären. M. H., ich habe daraufhin 
zu erklären, daß der Herr Minister des Innern einverstanden mit mir ist, 
morgen sofort Kommissare in das Revier zu entsenden zur Einleitung einer 
Untersuchung, wie sie von dem Bergbauverein gewünscht wird. Ich glaube, 
mit dem hohen Hause im Einverständnis mich zu befinden, wenn ich auch 
heute darauf verzichte, nach irgend einer Seite hier Stellung zu nehmen, 
da dadurch die Verhandlungen nur erschwert werden dürften, und ich bitte 
wiederholt das Haus, sich auch seinerseits dieser Auffassung anzuschließen. 
(Beifall) 
            Abg. Wiemer (fr. Vp.) erwartet von den Handelsverträgen nur 
einen Nutzen für den Großgrundbesitz; Kleingrundbesitz, Industrie und 
Handel würden darunter leiden. Die Erhöhung der Zuschüsse für länd- 
liche gewerbliche Fortbildungsschulen sei lobenswert, der geforderte Dis- 
positionsfonds für Prämien für Pferderennen überflüssig. Die Regierung 
hätte dem Ausbruch des Bergarbeiterstreiks zeitig entgegenwirken müssen. 
Abg. Dr. v. Jazdzewski (Pole) beschwert sich, daß die Danziger und 
Posener Regierung den Lehrern verboten hätten, in ihrer Familie polnisch 
zu sprechen. Die Unabhängigkeitsidee, welche in der polnischen Bevölkerung 
herrscht, kann die Regierung als solche nicht bekämpfen, sie kann nur dahin 
streben, daß diese Idee durch Gerechtigkeit der bestehenden Regierung ein- 
gedämmt wird. Die Polen in österreichisch Galizien sind von derselben 
Unabhängigkeitsidee durchdrungen, aber man hört dort nie, daß sie daran 
denken, sich von Österreich loszureißen. Die polnische Bevölkerung ist dort 
eben zufrieden mit der Regierung, weil diese ihren berechtigten Wünschen 
und Eigentümlichkeiten Rechnung trägt. Wir polnischen Abgeordneten 
wünschen dringend einen Ausgleich mit der Regierung. Wenn man aber 
verlangt, daß wir vor Ausnahmegesetzen die Waffen strecken, dann taxiert 
man den Verstand und die Art des polnischen Volkes zu gering. Minister 
des Innern Frhr. v. Hammerstein: Die polnische Sprache solle nicht 
unterdrückt werden, aber die Polen müßten den Gesetzen gehorchen. Das 
Streben nach Unabhängigkeit sei das Zeichen der großpolnischen Bewegung, 
und diese müßte entschieden bekämpft werden. Die Sprachenfrage in den 
Versammlungen sei außerordentlich schwierig; der Ausschluß der polnischen 
Sprache, wie Abg. Graf Limburg wünsche, werde kaum zu erreichen sein. 
Kultusminister Dr. Studt: Die beiden Regierungen forderten nur, daß 
die Lehrer durch ihre ganze Haltung das Deutschtum förderten. Ein Ein- 
griff in die Familien liege ihnen fern. 
Am folgenden Tage kritisiert Abg. Brust (Z.) scharf die Haltung 
der Zechenbesitzer und der Regierung, die die Bergwerksbesitzer nicht ge- 
nügend kontrolliert habe. Handelsminister Möller weist die Angriffe gegen 
die Regierung ab, verspricht aber, einzelne Beschwerden zu untersuchen. 
Abg. Hirsch (nl.): Die Zechenbesitzer hätten mit Recht eine Unterhandlung 
mit den Arbeiterdelegierten abgelehnt, denn diese hätten keine Autorität 
bei den Arbeitern gehabt. Der unter Kontraktbruch begonnene Streik sei 
ganz ungerechtfertigt. 
             Der Etat wird an die Budgetkommission verwiesen. 
             17. Januar. (Württemberg.) Dem Landtag geht ein Volks- 
schulgesetzentwurf zu. 
              Er schlägt eine Aufbesserung der Gehälter der Volksschullehrer und 
-Lehrerinnen vor. Für die ständigen Lehrer und Lehrerinnen hat der Staat 
710000 Mark, für die nicht ständigen haben die Gemeinden 150 000 Mark 
 
	        
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