Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

V. 
Großbritannien. 
12. Januar. (Glasgow.) Ministerpräsident Balfour hält 
eine Rede über die Streitkräfte Englands und die Möglichkeit von 
Konflikten: 
Die Regierung habe sich mit der großen militärischen Frage des 
Reiches beschäftigt, es handle sich dabei nicht um die Verteidigung Eng- 
lands. Eine sehr kleine reguläre Armee genüge zusammen mit den übrigen 
Truppen, um die eigentliche Verteidigung Englands, die in der Flotte 
liege, stark zu machen. Das wahre Problem liege an der Stelle, wo allein 
ein Konflikt mit einer großen militärischen Macht möglich sei, dies Pro- 
blem sei die Verteidigung Afghanistans. Die Aenderungen, die der Kriegs- 
minister durchgeführt habe, würden es England ermöglichen, wirksam in 
jeden Streit an der Nordwestgrenze Indiens einzugreifen. Die Neubewaff- 
nung der Artillerie habe nicht leichtfertig unternommen werden dürfen 
wegen der gewaltigen Kosten, die kein kontinentaler Staat bisher aus den 
laufenden Einnahmen hat decken können. In etwa zwei Jahren werde 
die englische Armee vollständig mit dem neuen Geschütz ausgerüstet sein 
und bereits vorher den meisten Nationen in dieser Beziehung voraus sein. 
Das Geschütz sei besser als das irgend einer anderen Armee. England sei 
bei der Annahme des Geschützes von dem europäischen Herkommen ab- 
gewichen, und zwar auf den Rat derjenigen, welche die Artillerie im süd- 
afrikanischen Kriege beobachtet hätten. Die englische Armee beabsichtige, 
ein sehr machtvolles Geschütz einzuführen und diesem Geschütz dasselbe 
Kaliber zu geben wie dem der reitenden Artillerie. Es werde außerordent- 
lich interessant sein zu sehen, ob fremde Nationen diesem Beispiel folgen 
werden. Das Ergebnis der Flottenreform sei, daß die Kampfkraft der 
englischen Flotte während der ersten 24 Stunden eines Konfliktes mit einer 
fremden Macht verdreifacht werde. Die Erfolge der Regierung in bezug 
auf die Erhaltung des Friedens seien noch größer gewesen. England habe 
die Führung im Abschluß von Schiedsgerichtsverträgen übernommen. 
Allerdings konnten diese Verträge nur bis zu einem gewissen Punkte von 
Wert sein. Derjenige aber, der einen Streit über eine bestimmte Grenze 
oder ein Einflußgebiet auf solche Weise beilegt habe auf friedlichem Wege 
mehr erreicht, als die Nationen durch den Krieg zu erreichen vermöchten. 
Lord Lansdowne habe in dieser Beziehung eine Rekordleistung zu ver- 
zeichnen. Die Gefahr für den Frieden liege immer außerhalb Europas 
in den großen Regionen, die unter geringer Zivilisation ständen und wo
	        
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