Erefbrikenzien. (April 6. 10.) 191
die Behauptung, daß die Verstärkung der deutschen Flotte dem Frieden
diene, verstoße gegen den gesunden Menschenverstand. Der Besuch in
Tanger wird betrachtet als ein Protest gegen den englisch-französischen
Vertrag; England müsse an ihm festhalten und die Kaiserreise mit einer
Zusammenkunft der englischen und französischen Kanal- und Nordsee-
eschwader beantworten. Die „Morning Post“ allein beurteilt die deutsche
Periti objektiv: „Der Besuch des Deutschen Kaisers und die Sprache des
Grafen Bülow bringen die Tatsache in Erinnerung, daß auch Deutschland
in Marokko Interessen zu besitzen glaubt, als deren Wächter es sich selbst
betrachtet, und die es nicht ohne genügende Gegenleistung aufzugeben ge-
neigt ist. Die Natur und die Größe dieser Interessen sowie die Art und
Weise, wie Deutschland dieselben zu behandeln gedenkt, sind natürlich
Deutschlands Sache. Es ist augenblicklich kein Beweis dafür vorhanden,
daß die deutsche Regierung nicht geneigt wäre, auf die Wünsche Frank-
reichs einzugehen, natürlich in der Art einer geschäftsmäßigen Transaktion.
Deutschland will nicht gern die Rolle des Ignorierten spielen."“
6. April. (Unterhaus.) Deutschland und die Marokkofrage.
Labouchere (lib.) fragt, ob die englisch-französische Konvention der
deutschen Regierung amtlich bekannt gegeben wurde, ob irgend welche spä-
teren Mitteilungen über die Konvention zwischen Großbritannien und
Deutschland ausgetauscht wurden. Ferner: ob irgend ein Vertrag bestehe
zwischen Deutschland und Marokko, der Deutschland besondere Handels-
rechte und Privilegien sichere und, wenn dies der Fall, ob diese Rechte
analog wären denen, die Großbritannien durch die 1856 zwischen England
und Marokko abgeschlossene Konvention zugestanden seien, ferner, ob der
Sultan von Marokko noch das Recht habe, Verträge, durch die Handels-
rechte zugestanden werden, mit anderen Ländern abzuschließen, die nicht
beteiligt wären an der englisch-französischen Konvention. Unterstaatssekretär
Earl of Percy: Die englisch-französische Erklärung vom 8. April 1904
ist der deutschen Regierung offiziell nicht mitgeteilt und zwischen der bri-
tischen und deutschen Regierung sind keine Mitteilungen betreffend diese
Erklärung, soweit sie sich auf Marokko bezog, erfolgt. Der Sultan von
Marokko beteiligte sich an der Erklärung nicht, die ein unabhängiges Ab-
kommen zwischen der französischen und britischen Regierung war, das sich
auf die beiderseitigen Interessen in jenem Lande bezieht. Der Vertrag
zwischen Deutschland und Marokko vom Jahre 1890 ist analog dem Ver-
trag zwischen England und Marokko vom Jahre 1856. Gibson Bowles
(kons.): Sind Mitteilungen an Deutschland erfolgt betreffs anderer Teile
des englisch-französischen Abkommens? Earl of Perch: Es haben keine
Mitteilungen an Deutschland stattgefunden, außer betreffs des Dekrekts
des Khedive.
10. April. (Unterhaus.) Budget.
Schatzkanzler Austen Chamberlain legt das Budget vor. Das
Finanzjahr 1904/5 schloß mit einem Ueberschuß von 1400000 Pfd. St. ab.
Der Voranschlag für 1905/6 sieht an Ausgaben insgesamt 141032000
Pfd. St. vor. Die Einnahmen würden, auf der Grundlage der bisherigen
Besteuerung berechnet, 144004000 Pfd. St. betragen. Von dem sich er-
gebenden Ueberschuß von 2972000 Pfd. St. will der Schatzkanzler eine
Million für die Begründung eines Amortisationsfonds verwenden. Für
die in diesem Jahre fällig werdenden Schatzbonds von 10 Millionen Pfd. St.
sollen neue Bonds auf zehn Jahre ausgegeben werden, von denen jährlich
für eine Million gezogen und zurückgezahlt werden sollen. Der Teezoll
soll vom 1. Juli ab um zwei Pence für das Pfund ermäßigt werden, die