Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Greßbritannien. (September 4. —Oktober.) 197 
4./8. September. (Hanley in Staffordshire.) Kongreß der 
Trade Unions. 458 Delegierte vertreten 1560000 Mitglieder. Der 
Kongreß fordert Aufrechterhaltung des Freihandels und den Acht- 
stundentag. — Von vielen Seiten wird über Unfruchtbarkeit der 
Verhandlungen und persönliche Differenzen im Kongreß geklagt. 
27. September. Der Text des neuen englisch-japanischen 
Bündnisses vom 12. August wird veröffentlicht. 
Die Ziele des Abkommens sind die Befestigung und Aufrechterhal- 
tung des allgemeinen Friedens in Ostasien und Indien, die Erhaltung der 
gemeinsamen Interessen aller Mächte in China durch Sicherung der Un- 
abhängigkeit und Integrität Chinas, sowie des Prinzips der Gleichberech- 
tigung des Handels aller Nationen, ferner die Aufrechterhaltung der 
territorialen Rechte Großbritanniens und Japans in Ostasien und Indien 
und die Verteidigung ihrer besonderen Interessen in diesen Gebieten. 
Art. 1. Die beiden Regierungen werden, wenn immer ihre oben 
bezeichneten Rechte und Interessen gefährdet sind, miteinander in vollem 
Umfange und offen in Verkehr treten und gemeinsam die Maßnahmen 
erwägen, die zur Wahrung derselben zu ergreifen sind. Art. 2. Wenn in- 
folge eines nicht herausgeforderten Angriffs oder eines aggressiven Vor- 
gehens, das wo immer seitens irgend welcher Macht oder Mächte erfolgen 
mag, einer der beiden vertragschließenden Teile in der Verteidigung seiner 
Rechte und Interessen in einen Krieg verwickelt wird, so wird der andere 
Teil dem Verbündeten sofort zu Hilfe kommen, mit ihm den Krieg ge- 
meinsam führen, sowie im wechselseitigen Einvernehmen Frieden schließen. 
Art. 3. Da Japan die vorherrschenden politischen, militärischen und wirt- 
schaftlichen Rechte in Korea besitzt, erkennt Großbritannien Japan das Recht 
zu, solche Maßregeln zur Leitung der Kontrolle und des Schutzes Koreas 
zu ergreifen, als es für geeignet und notwendig erachten mag, um diese 
Interessen zu schützen und zu fördern. Art. 4. Japan anerkennt das Recht 
Großbritanniens, in der Nähe der indischen Grenze solche Maßregeln zu 
ergreifen, welche nötig sein mögen, die indischen Besitzungen zu schützen. 
Art. 5. Beide Teile kommen überein, daß keiner, ohne den anderen zu be- 
fragen, in besondere Abmachungen eintreten wird, welche den in der Ein- 
leitung des Abkommens bezeichneten Zielen nachteilig sein könnten. 
Art. 6. Im Falle eines russisch-japanischen Krieges übernimmt es Groß- 
britannien, strenge Neutralität zu bewahren, und Japan, falls es von einer 
anderen Macht angegriffen wird, zu Hilfe zu kommen. Art. 7. Die Be- 
dingungen, unter welchen der erwähnte Beistand geleistet werden soll, 
werden durch die Militär= und Marinebehörden der vertragschließenden 
Teile vereinbart, die miteinander von Zeit zu Zeit in vollem Umfange 
und offen in Beratung treten. Art. 8. Das gegenwärtige Uebereinkommen 
gilt für eine Frist von zehn Jahren, ist aber mit einjähriger Kündigung 
aufhebbar. 
Ende September. Die Presse bringt Nachrichten, daß die 
Regierung Singapore zur Flottenbasis ausbauen wolle. 
Oktober. Kundgebungen über die Beziehungen zu Deutschland. 
Die „Times“ verbreitet Nachrichten, daß ein englisch-russisches Ein- 
vernehmen unmittelbar bevorstehe. Deutschlands Versuche, dies Einver- 
nehmen zu hindern und mit Wittes Hilfe eine deutsch-russische Verständi- 
gung zu finden, seien gescheitert.
	        
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