Frankreich. (Juli 12.) 217
Ansicht der fremden Mächte einzuholen und lud diese zu dem Zwecke zu
einer internationalen Konferenz ein. Diese Einladung an uns erging am
30. Mai. Das Berliner Kabinett teilte der Republik am 5. Juni durch
eine Note mit, daß ihm eine Konferenz als das beste Mittel erscheine, um
diese Reformen vorzubereiten. Wir haben darauf geantwortet, daß wir
im Prinzip mit wohlüberlegtem Entschlusse dem Gedanken einer Konferenz
nicht gegenüberständen, daß es uns aber notwendig erschiene, um zweck-
mäßig unsern Beitritt zu erklären, uns mit Deutschland ins Einvernehmen
über gewisse Grundsätze zu setzen, deren wir uns in Marokko nicht würden
begeben können. Wir wünschten besonders Gewißheit darüber zu erlangen,
daß die kaiserliche Regierung ebenso wie wir die besonderen Interessen
Frankreichs als Grenzland an der Aufrechterhaltung der Ordnung im
scherisischen Reiche anerkenne. Die Erklärungen, die ich mit dem Bot-
schafter Fürsten Radolin ausgetauscht habe und die von unserem Botschafter
Bihourd und dem Reichskanzler Fürsten Bülow getroffenen Vereinbarungen
haben die beiden Regierungen veranlaßt, gegenseitige Zusicherungen zu
eben und deren Wortlaut in einem Schriftstück festzulegen, das ich der
ammer jetzt verlesen werde.“ „Das so wünschenswerte Uebereinkommen,
das jetzt zwischen den beiden Mächten (Deutschland und Frankreich) zu-
stande gekommen ist, läßt die Abkommen, die Frankreich vorher mit anderen
Mächten getroffen hat, unberührt. Zu keiner Zeit der Verhandlungen hat die
Beratung das französisch-spanische Abkommen berührt. Sowohl die Erklärung,
welche in den ausgetauschten Schriftstücken über die Bündnisse und Ab-
kommen Frankreichs abgegeben worden ist, wie die formellen Versicherungen,
die die Vertreter der kaiserlichen Regierung aus eigenem Antriebe im Laufe
der Vorverhandlungen gegeben und bei Schluß derselben wiederholt haben,
gestatten mir, Sie zu versichern, daß Deutschland sich in unsere Abkommen
mit England und Spanien nicht einmischt. Könnte das übrigens auch
anders sein? Diese Abkommen verpflichten uns gegenüber nur die beiden
Mächte, welche sie unterzeichnet haben und umgekehrt uns allein diesen
Mächten gegenüber. Es könnte keine Frage sein, daraus eine Schluß-
folgerung zu ziehen gegen irgend eine andere Macht, ebenso wie keine
andere Macht etwas einwenden kann gegen die Bedingungen, denen Eng-
land und Spanien zugestimmt haben. Die Kammer wird sich gewiß beglück-
wünschen zu dem glücklichen Ergebnis, das sich dank der aufrichtigen An-
strengungen ber Regierungen aus den Verhandlungen zwischen Frankreich
und Deutschland in der Marokkoangelegenheit ergeben hat.“
In der Kammer und in der Rresse findet Rouviers Politik fast
durchweg Zustimmung; er habe eine verfahrene Angelegenheit geschickt
eendet.
12. Juli. (Paris.) Nach dem „Gaulois“ hat sich der frühere
Minister Delcassé über seine Politik und seinen Rücktritt folgender-
maßen ausgesprochen:
Frankreich müsse mit England, seinem besten Käufer, ein Bündnis
schließen. Frankreich kann England die Herrschaft zur See nicht streitig
machen; deshalb ist es das Klügste, sich vor der Vernunft zu beugen und
in Rechnung zu ziehen, welchen Wert der englische Beistand in gewissen
Fällen für uns haben kann. Dieser Beistand nun hätte den Wert für
uns, daß Deutschland in die Unmöglichkeit versetzt werden würde, uns
den Krieg zu erklären. Denn was vermöchte im Falle eines Krieges, in
dem England mit uns ginge, die deutsche Flotte? Was würde aus den
Häfen, dem Handel und der Handelsmarine Deutschlands werden? Eine
vollständige Vernichtung derselben wäre die Folge... Die Entente mit