Italien. (März 1. - 16.) 227
Partei gegen die Eisenbahner nimmt. Bei einer Abstimmung über einen
Generalstreik stimmen von 63000 Beteiligten 41600 mit Nein, 14000 mit
Ja, 8000 schweigen.
1. März. (Senat.) Minister der öffentlichen Arbeiten
Tedesco erwidert auf eine Interpellation über die Eisenbahner-
obstruktion:
Um auch nur einen Teil der Forderungen des Personals zu be-
friedigen, müßten 100 Millionen verausgabt werden. (Bewegung.) Die
Regierung habe die Forderungen geprüft; sie habe den Gesetzentwurf be-
treffend die Verstaatlichung der Eisenbahnen eingebracht, der viele auch
dem Eisenbahnpersonal zugute kommende Vorteile aufweise. Mehr glaube
die Regierung nicht geben zu können und zu dürfen. Bezüglich des Ob-
struktionismus sei übrigens schon eine merkliche Besserung eingetreten.
Die Eisenbahngesellschaften hätten angeordnet, daß die Beamten zwar die
Verfügungen des Betriebsreglements ausführen sollten, aber wie früher
sinngemäß, in verständiger Weise; sie würden diejenigen bestrafen, welche
das Reglement in böswilliger Weise ausführten, um dadurch den Verkehr
zu hemmen. Er wiederhole, die Regierung wache darüber, daß die Gesell-
schaften das Reglement voll und ganz aufrecht erhielten, so wie es im
Interesse des Verkehrs und für die Sicherheit der Reisenden nötig sei.
Nach einer heute eingegangenen Depesche scheine das Personal von der
Obstruktion mehr und mehr abzulassen. Man rechne auf eine allmähliche
Wiederherstellung des Dienstes. Zu Ausnahmemaßregeln zu greifen, halte
die Regierung nicht für geboten, da die gewöhnlichen Gesetze ausreichten.
Die Regierung habe das Bewußtsein ihrer Pflicht und werde sie erfüllen.
4. März. Ministerpräsfident Giolitti reicht wegen andauernder
Kränklichkeit seine Demission ein. Infolgedessen demissioniert das
ganze Kabinett. Es wird betont, daß dem Rücktritt nicht politische
Motive zu Grunde liegen.
5. März. Vorbereitung des internationalen landwirtschaft-
lichen Instituts.
Eine noch von Giolitti unterzeichnete Verfügung bestimmt, daß beim
Ministerium des Aeußeren ein dem Minister des Aeußeren, dem Land-
wirtschafts= und dem Schatzminister unterstehendes vorläufiges Bureau er-
richtet wird, welches alle mit der Gründung des internationalen Land-
wirtschaftsinstituts zusammenhängenden Angelegenheiten bearbeiten soll.
Gleichzeitig wird ein aus 30 Mitgliedern bestehendes Generalkomitee ein-
gesetzt, welches dem Minister Vorschläge für das Programm der in dieser
Angelegenheit für Mai geplanten internationalen Konferenz machen und
die Regierung bei den vorbereitenden Arbeiten für diese Konferenz unter-
stützen soll.
16. März. Provisorische Lösung der Ministerkrifis.
Dep. Fortis versucht ein Kabinett zu bilden, findet aber Schwierig-
keit bei der Minderheit der bisherigen Minister. Infolgedessen lehnt er
den Auftrag ab, der König beauftragt am 16. den Minister des Aus-
wärtigen, Tittoni, interimistisch auch das Ministerpräsidium und das Mini-
sterium des Innern zu übernehmen. Die übrigen Minister, welche ihre Ent-
lassung eingereicht hatten, werden vom König in ihren Aemtern neu bestätigt.
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