Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

228 Italien. (Mãrz 24. — April 4.) 
März. Italien schließt mit dem Mullah ein Abkommen. 
Die „Agensia Stefani“ berichtet hierüber (19. März): „Der Ver- 
treter der italienischen Regierung, Pestalozza, ist an der Somaliküste ein- 
etroffen. Pestalozza hat mit dem Mullah ein Uebereinkommen nach be- 
bimmten von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Bedingungen auch 
im Interesse der englischen Regierung abgeschlossen. Das Uebereinkommen 
vereinbart den allgemeinen Frieden, der Mullah geht die Friedensver- 
pflichtung sowohl gegenüber Italien als England ein. Dadurch werden 
die Stämme in dem italienischen und englischen Schutzgebiet von den be- 
ständigen Raubzügen und Verheerungen ihrer Ländereien befreit. Der 
Mullah nimmt Aufenthalt in einem Gebiet, das zum Teil zum italienischen 
Schutzgebiet gehört und das ihm als eigenes Besitztum durch das Ueber- 
einkommen ausdrücklich zugewiesen wird. Seinen ständigen Wohnsitz er- 
richtet er an einem zwischen Ras Garad und Ras Gabbe gelegenen Punkte 
der Küste. Er unterstellt sich der italienischen Schutzherrschaft und erkennt 
auch der italienischen Regierung die Befugnis zu, wenn sie will, einen 
Residenten bei ihm zu ernennen. In dem dem Mullah zugewiesenen 
Gebiet soll freier Handel herrschen, aber jeder Waffen- und Sklavenhandel 
verboten sein. Das neue Uebereinkommen macht in Aden einen ausge- 
zeichneten Eindruck, denn durch dasselbe wird nicht nur den schwierigen 
und kostspieligen militärischen Operationen Englands ein Ende gesetzt, sondern 
auch der unsicheren Lage, die seit mehreren Jahren das ganze Somailand 
schädigte. 
24. März. Die Kammer erteilt dem Ministerium nach langer 
Debatte ein Vertrauensvotum. 
25. März. (Civitavecchia.) Die Deutsche Kaiserin hat 
eine Zusammenkunft mit dem Königspaar. 
25./27. März. Neubildung des Kabinetts. 
Das Ministerium beschließt (25.), daß Tittoni dem Könige das Ent- 
lassungsgesuch des Kabinetts überreichen soll. Das Gesuch soll dem Könige 
die Möglichkeit gewähren, nach dem gestrigen Kammervotum über die 
fernere Zusammensetzung des Kabinetts zu entscheiden. Am 29. wird das 
Kabinett neu gebildet: Fortis: Präsidium und Inneres; Tittoni: Aeußeres; 
Finocchiaro Aprile: Justiz; Angelo Mariano: Finanzen; Carcano: Schatz; 
Pedotti: Krieg; Mirabello: Marine; Leonardo Bianchi: Unterricht; Carlo 
Ferraris: öffentliche Arbeiten; Rava: Ackerbau, und Meriello Gualitieratti: 
Post und Telegraphen. — Die Parteistellung ist folgende: Unabhängige 
Linke: Fortis, Finocchiaro, Rava. Gruppe Zanardelli: Carcano, Morelli. 
Gruppe Giolitti: Bianchi, Majorana. Rechte: Tittoni, Ferraris. Farblos: 
Pedotti, Mirabello. 
4. April. Ministerpräsident Fortis verliest in beiden Kam- 
mern folgendes Programm: 
„Wir haben Ihnen keine neue politische Richtung zu verkünden. Der 
Umschwung in der ministeriellen Krise zeigt, daß unser Werk, gestützt auf 
eine breite parlamentarische Grundlage, darauf gerichtet ist, ein Programm 
durchzuführen, welches das Land in seinen Hauptzügen bereits günstig 
aufnahm. Wir müssen indessen unser Programm ausführlicher darlegen, 
ohne auf das zurückzukommen, was bereits in den Erörterungen vom 
23. und 24. März erklärt wurde. In der Eisenbahnfrage wurde uns kein 
Verzug zugestanden, um den Uebergang des Eisenbahnbetriebes auf den
	        
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