Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

232 Jlelien. (Mai 12.) 
Gendarmerieoffiziere.“ — Der Dreibund sei allen Teilnehmern nützlich: 
„Er bewahrt uns vor übertriebenen Militärausgaben; nie könnte aber 
jemand behaupten, daß er uns davon entbinde, ein Heer und eine Flotte 
zu unterhalten, und es ist verlorene Mühe, genau feststellen zu wollen, für 
wen er von ein wenig mehr oder weniger Vorteil sei, denn er hat sich 
als ein kostbares Element für die Erhaltung des europäischen Friedens 
erwiesen. Wir betrachten ihn stets als ein Unterpfand und eine Garantie 
des Friedens, und als einen wichtigen Faktor unserer Politik. Wenn der 
Deutsche Kaiser der willkommen geheißene Gast Italiens und seines Königs 
war, und wenn Graf Goluchowski in Venedig den Besuch erwiderte, den 
ich ihm in Abbazia gemacht habe, so hatte weder der Besuch des Deutschen 
Kaisers den Zweck, die Bande des Dreibundes zu stärken, denn diese hatten 
sich nicht gelockert, noch hatte die Zusammenkunft in Venedig den Zweck, 
unsere Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn, die ausgezeichnet sind, zu bessern 
oder das Einvernehmen, das bereits ein vollständiges war, noch enger zu 
gestalten. Das von mir im vergangenen Jahre vorgelegte Programm, das 
unsere Interessen auf dem Balkan vollständig schützte, ist nach und nach, 
wie wir es vorhergesehen und gewünscht haben, zur Ausführung gelangt. 
Alle Fragen wurden mit Oesterreich-Ungarn freundschaftlich besprochen und 
geregelt. Deutschland hatte den einzigen Wunsch, daß das Einvernehmen 
zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn fortbestehe. Gerade im Hinblick 
auf unsere Interessen im Orient habe ich es mir angelegen sein lassen, 
gute Beziehungen zu Rußland zu pflegen in schwierigen Augenblicken, die 
Italien in Erregung hielten. Mit England und Frankreich unterhielten 
wir herzlichen Gedankenaustausch und in der Balkanfrage bewies England 
uns die gewohnte, Frankreich eine weitere erneute Freundschaft. Unsere 
klare Haltung hat uns das Vertrauen der Türkei und die Sympathie der 
Balkanstaaten erworben. In Makedonien hat das Werk der Zivilagenten 
in den vergangenen ersten achtzehn Monaten keine beträchtlichen Ergebnisse 
gehabt. Man muß aber die großen Schwierigkeiten in Betracht ziehen, 
gegen die die Zivilagenten anzukämpfen hatten, und es wäre nicht gerecht, 
die trotzdem von den Zivilagenten erreichten Ergebnisse verkennen zu wollen, 
zwei Hauptpunkte der Reformen: Garantie des Lebens und des Eigen- 
tums. ... Im Januar unterbreiteten die Botschafter Oesterreich-Ungarns 
und Rußlands auf Grund des Mürzsteger Programms der Pforte eine 
Denkschrift über einige Maßregeln für die Reorganisation der Verwaltung 
in Makedonien und den Entwurf eines Reglements, das auf den von der 
Pforte ausgesprochenen Wunsch Bezug hat, daß die Eingangszölle ad valorem 
von acht auf elf Prozent erhöht werden. Während Italien diesen Ent- 
wurf aufmerksam prüfte und Oesterreich-Ungarn und Rußland seine Be- 
merkungen und Vorbehalte mitteilte, erwiderte die Pforte ihrerseits am 
5. März den beiden Botschaftern, daß sie selbst für einen guten Gang der 
Verwaltung in Makedonien gesorgt habe, und zwar mit Hilfe eines mit 
der kaiserlichen Bank verabredeten Finanzreglements, dessen Wortlaut der 
Note beigefügt war. Dabei wiederholte die Pforte ihr Gesuch um Er- 
höhung der Eingangszölle. Nach einem Gedankenaustausch unter den 
Mächten wurde beschlossen, den türkischen Gegenentwurf anzunehmen unter 
Hinzufügung eines Artikels, der bestimmt, daß zur Ueberwachung der Aus- 
führung der Finanzreform Italien, England, Frankreich und Deutschland 
je einen Finanzdelegierten ernennen sollen, der seine Tätigkeit im Ein- 
vernehmen mit dem Generalinspekteur und dem österreichisch-ungarischen 
und russischen Zivilagenten auszuüben habe. Die so gebildete Kommission 
soll alle nötige Vollmacht zur Durchführung ihrer Aufgabe haben, beson- 
ders zur Ueberwachung der regelrechten Einziehung der Steuern, einschließ- 
  
 
	        
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