Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

234 Italien. (Dezember.) — NVie Römische Kurie. (März 27. Juni 19.) 
Unterricht, Tedesco öffentliche Arbeiten, Marsengo-Bastia Post und Tele- 
graphen, Graf Valrezzi Ackerbau. 
Dezember. In Apulien kommt es wegen der Weinklausel 
im spanischen Handelsvertrag zu blutigen Tumulten. 
VIII. 
Die RNömische Kurie. 
27. März. Der Papst sagt im Geheimen Konfistorium über 
Frankreich: 
Zum dritten Male spreche Ich zu Euch und muß leider Dinge zur 
Sprache bringen, welche anstatt Freude Trauer erregen. Darin gleicht die 
Kirche ihrem göttlichen Bräutigam, der auch ein Zeichen sein wollte, dem 
man widersprechen würde. Wir beklagten Uns bei Euch, daß in Frankreich 
Pläne beständen, welche der Religion nachteilig seien, und beklagten, daß 
das Konkordat gekündigt werden sollte und durch gesetzgeberische Maßregeln 
Trennung von Kirche und Staat ins Werk gesetzt werden sollte. Noch in 
den letzten Tagen sind Wir angegriffen worden, als ob Wir die ein- 
gegangenen Verträge nicht hätten halten wollen, und die Sache wird so 
eifrig betrieben, daß das Ende binnen kurzem bevorsteht. Was in Frank- 
reich geschieht, ist auch zum Nachteil des Staates; dies glauben nicht nur 
die katholischen Parteien Frankreichs, sondern alle Freunde der öffentlichen 
Ordnung, welche gemeinsames Verderben verhüten möchten. 
19. Juni. Der Papst erläßt eine Enzyklika an die italie- 
nischen Bischöfe und gestattet den italienischen Katholiken die Be- 
teiligung am öffentlichen Leben. 
Es heißt darin: Die katholische Aktion muß sich Geltung verschaffen 
durch alle jene praktischen Mittel, die ihr der Fortschritt des sozialen und 
wirtschaftlichen Studiums, die schon anderswo gemachte Erfahrung, die Ver- 
hältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, sogar das öffentliche Staatsleben an 
die Hand geben. Sie muß sich infolgedessen jener bürgerlichen Rechte be- 
dienen, welche die heutigen Staatsverfassungen allen und demnach auch 
den Katholiken gewähren.. Jene Rechte sind verschiedener Art; sie 
gestatten sogar direkt an dem politischen Leben des Landes Anteil zu 
nehmen vermittelst der Volksvertretung im Parlament. Schwerwiegende 
Gründe raten Uns ab, ehrwürdige Brüder, von jenen Uns von Unseren 
Vorgängern Pius IX. und Leo XIII. vorgeschriebenen Normen abzuweichen, 
wonach in Italien die Teilnahme der Katholiken an den Parlaments- 
wahlen verboten ist. Nur ebenso schwerwiegende andere Gründe, die das 
höchste Interesse der Gesellschaft im Auge haben, welches um jeden Preis 
gewahrt werden muß, können veranlassen, daß in besonderen Fällen von 
dem Gesetze dispensiert werde, hauptsächlich wenn ihr, ehrwürdige Brüder, 
von der unbedingten Notwendigkeit für das Heil der Seelen und für das 
höchste Interesse eurer Kirchen überzeugt seid und darum einkommt. Nun 
aber bedingt die Möglichkeit dieses Unseres wohlwollenden Zugeständnisses,
	        
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