238 Helsien. (Juni—November 10.)
Juni. Juli. Kämpfe um den Ausbau Antwerpens und die
Heeresverstärkung.
Die Regierung bringt eine Vorlage ein über Erweiterung des
Hafens und der Festung Antwerpen. Die herrschende klerikale Partei
lehnt das Projekt ab, weil die belgische Armee nicht zur Besetzung der
vergrößerten Festung ausreiche und sie eine Heeresvermehrung nicht billigt.
Die klerikale Partei fürchtet, dabei von ihren Wählern im Stich gelassen
zu werden („Köln. Volksztg.“ 544). — Der König und die Bischöfe agitieren
lebhaft für die Vorlage. Trotzdem stimmt die Regierung einer Vertagung
der Vorlage bis zum Oktober zu (28. Juli).
16. Juli. Das 75jährige Jubiläum der Unabhängigkeit Bel-
giens wird durch große Feste gefeiert.
15. August. Der Senat genehmigt ein von der Kammer
beschlossenes Gesetz, wonach in Industrie und Handel eine Sonn-
tagsruhe von einem halben bis einen Tag festgesetzt wird. Aus-
genommen sind Fischerei, Wassertransport, Jahrmarktsverkehr, Not-
standsarbeiten u. dgl.
16./21. Oktober. (Brüssel.) Tagung der internationalen
Seerechtskonferenz.
25./26. Oktober. (Deputiertenkammer.) Die Minister des
Auswärtigen und des Krieges begründen die Vorlage über die Be-
festigung Antwerpens und die Erweiterung seines Hafens. Belgien
müsse in der Lage sein, seine Neutralität zu sichern, und die Schelde
müsse für Schiffe jeder Größe fahrbar sein.
10. November. (Brüssel.) Die klerikale Mehrheit der Kam-
mer beschließt in einer Fraktionssitzung nach lebhafter Debatte, die
Vorlage über Antwerpen einer eingehenden technischen Nachprüfung
zu unterziehen. Die Regierung hatte sich dagegen erklärt. — In
der Kammer finden in den folgenden Tagen heftige Kämpfe zwi-
schen Regierung und Mehrheit statt. ·
November. (Brüssel.) Der Bericht des Kongo-Untersuchungs-
ausschusses wird veröffentlicht. (Vgl. S. 195 und „Staats--Archiv“
Bd. 71.)
Die „Allg. Ztg.“" schreibt darüber: „Ihr Bericht ist das Ergebnis
absoluter Wahrheit, und wer dem mittelafrikanischen Unternehmen des
Königs der Belgier nicht mit unüberwindlicher Voreingenommenheit ent-
gegentritt, wird nicht verfehlen, daraus ein richtiges Urteil über den
wahren Zustand im Kongostaate zu schöpfen. Vor allem beseitigt der
Bericht endgültig die von den englischen Anklägern verbreitete Legende
von den Grausamkeiten, welche die Kongobeamten an den Eingeborenen
verübt haben sollen. Der Bericht stellt fest, daß im allgemeinen die Kongo-
beamten sich weder eine schlechte Behandlung der Neger noch deren Ver-
stümmelung zuschulden kommen lassen. An Ausnahmefällen, in denen es
sich um persönliche Ausschreitungen einzelner Beamten handelt, fehlt es