Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Schweden und Rerwegen. (Oltober 13. —26.) 253 
13. Oktober. (Schweden.) Beide Kammern des Reichstags 
genehmigen das Karlstader Abkommen. 
14. Oktober. Der König übernimmt die Regierung wieder. 
17. Oktober. (Schweden.) Der König schließt den Reichs- 
tag mit folgender Thronrede: 
Es ist ein bedeutungsvoller Augenblick, in dem Ich jetzt in diesem 
Saale Meine Stimme erhebe. Die 1814 gegründete Vereinigung zwischen 
den in den vorausgegangenen Jahrhunderten zersplitterten Völkern der 
skandinavischen Halbinsel ist gebrochen worden. Der schwedische Reichstag 
hat durch seinen am 16. Oktober gefaßten Beschluß Meinen Vorschlag be- 
züglich dieser Auflösung gutgeheißen, und wahrhaftig nicht ohne tiefen 
Schmerz sehe Ich die ehemalige Trennung der beiden nahverwandten 
Völker wieder eintreten. Die Schwierigkeiten und Gefahren, welche in dem 
fast ein Jahrhundert alten Bündnis für immer beseitigt schienen, sind 
möglicherweise neuerlich zum Leben erweckt; doch will Ich nicht die Hoff- 
nung unterdrücken, daß, obwohl die politische Vereinigung leider nicht 
länger besteht, ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern Schwedens und 
Norwegens zukünftig bewahrt wird zur Sicherheit und zum Glück beider 
Nationen. Ich bin gewiß, daß eine gute Grundlage hierfür durch das 
Uebereinkommen mit Norwegen gelegt ist, das beide Nationen auf Meinen 
Antrag angenommen haben. In dieser Stunde muß Ich — nicht ohne 
tiefe Bewegung — laut Meinen warmen und innigen Dank für alle treue 
Ergebenheit aussprechen, welche das edle Volk Schwedens Mir in der für 
Mich so schmerzlichen Zeit der Prüfung erwiesen, die seit dem 7. Juni 1905 
gewährt hat. Die Erinnerung daran will Ich nicht allein in Meinem 
Herzen bis zur letzten Stunde Meines Lebens bewahren, sie soll Mich auch 
ständig mahnen, die Kräfte, welche Mir in Meinem hohen Alter noch 
übrig geblieben sind, zum Besten des Landes und des Volkes anzuwenden, 
das Mir so treue Liebe bewiesen hat. Ich erkläre hiermit den außer- 
ordentlichen Reichstag für geschlossen und verbleibe Ihnen, Meinen werten 
Herren und schwedischen Männern, mit aller königlichen Gnade und Huld 
stets wohl gewogen. 
26. Oktober. (Stockholm.) Die schwedische und norwegische 
Regierung unterzeichnen die Abmachungen, wodurch die Union auf- 
gehoben wird. Die schwedische Regierung teilt den fremden Mächten 
mit, daß Schweden Norwegen als unabhängiges Land anerkannt habe. 
26. Oktober. (Schweden.) Der König richtet folgendes 
Schreiben an den Präsidenten des norwegischen Storthings: 
Nachdem ich Norwegen als einen von Schweden vollständig ge- 
trennten Staat anerkannt habe, benachrichtige ich Sie, daß ich beschlossen 
habe, auf die Krone Norwegens zu verzichten, die mir trotz meines guten 
Willens im Laufe der Jahre so viel bittere Sorgen bereitet hat. Ich 
wünsche aber dem Lande und dem Volke nur Gutes. In Anbetracht der 
Wendung, welche die Beziehungen in den beiden Ländern zueinander ge- 
nommen haben, kann ich nicht glauben, daß es für das Glück Schwedens 
oder Norwegens wäre, wenn ein Prinz meines Hauses die Wahl zum 
König von Norwegen annähme. In beiden Ländern würde es sicher nicht 
ausbleiben, daß Mißtrauen sich erheben würde, das sich ebenso gegen ihn 
wie gegen mich wenden würde. Dieses Mißtrauen könnte nur ein Hindernis
	        
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