Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

264 Rußlaut. (April 1. 16.) 
Seit dem Beginn der militärischen Operationen im Februar vorigen 
Jahres bis zum 27. Februar dieses Jahres wurden auf der sibirischen 
Bahn nach Charbin befördert: 13087 Offiziere, 761467 Untermilitärs, 
146 408 Pferde, 1521 Geschütze und 19524977 Pud Frachten. Rechnet 
man dazu, daß seit dem 27. Februar noch mindestens 25000 Mann Ver- 
stärkungen hinzugekommen sind und daß unsere Streitkräfte in der Man- 
dschurei, Wladiwostok und Port Arthur zu Beginn des Krieges auf 100000 
Mann geschätzt werden dürfen, so gelangen wir zu den kolossalen Ziffern 
von 900000 Mann mit 1800 Geschützen und 150000 Pferden. Die mo- 
derne Kriegsgeschichte kennt nur ein Beispiel, wo noch größere Massen 
während eines Feldzuges in Bewegung gesetzt wurden, das war der deutsch- 
französische Krieg, in dessen sechs Monate dauerndem Verlaufe 1150000 
deutsche Krieger die französische Grenze überschritten. Auf die Frage, wie- 
viel von dieser aufgebotenen gewaltigen Streitmacht zurzeit noch dis- 
ponibel ist, läßt sich in Ermangelung völlig zuverlässiger Angaben über 
die Verluste in den Kämpfen und durch Krankheiten keine bestimmte Ant- 
wort geben. Aber man wird mit Hilfe des vorhandenen Materials doch 
zu Annäherungswerten gelangen, die nicht allzuweit von der Wirklichkeit 
entfernt bleiben dürften. Die Verluste unserer Truppen an Toten, Ver- 
wundeten und Gefangenen betrugen am Jalu 3000 Mann, bei Wafangkou 
4000, bei Liaojang 26000, am Schaho 44000, in Port Arthur 55000, 
am Hunho 15000, bei Mukden 120000, bei Tjeling 2000, in kleineren 
Gefechten und Scharmützeln 10000, insgesamt etwa 280000 Mann. Die 
Zahl der aus der Mandschurei evakuierten Kranken wird mit 100000 
wohl nicht zu hoch gegriffen sein, ebenso der Krankenbestand in den Feld- 
lazaretten mit 30 000. Auf der Bahnlinie im Anzuge könnten 60000 
Mann verteilt und mit dem Schutze der Bahn 50000 Mann betraut sein. 
Die Besatzung von Wladiwostok kann gleichfalls auf 50000 geschätzt werden. 
Es blieben, wenn diese Zahlen ungefähr stimmen, für die auf dem Rück- 
zuge nach Charbin befindliche Feldarmee unter Linewitsch immer noch 
330000 Mann übrig, die binnen Monatsfrist fast auf 400000 Mann kom- 
plettiert sein könnten. Gelingt es, in dieser imposanten Masse die durch 
die furchtbaren Tage von Mukden gestörte Ordnung wieder herzustellen 
und den Geist der Truppen an den Gedanken des Sieges zu gewöhnen, 
so könnten die gleichfalls gelichteten Reihen des Feindes noch auf Wider- 
stände stoßen, deren Ueberwindung mit außerordentlichen Schwierigkeiten 
verknüpft wäre. 
1. April. Zugeständnisse an Finnland. 
Im finnländischen Senat wird ein Manifest verlesen, nach welchem 
die Ausschreibung der Wehrpflichtigen eingestellt wird. Nach einer Aller- 
höchsten Verordnung soll die finnische Landeskasse jährlich 10 Millionen 
Mark an die Reichskasse zu Kriegszwecken zahlen. Die Bestimmungen über 
die Absetzung finnischer Justizbeamten werden aufgehoben. 
7./11. April. (Petersburg.) Allrussische Kongrefse von Ad- 
vokaten und Professoren fordern eine Verfassung auf demokratischer 
Grundlage. 
11. April. (Petersburg.) Die amtliche Preßkonferenz be- 
schließt mit 17 gegen 2 Stimmen die Aufhebung der Zensur über 
Privattelegramme der Zeitungen. 
15. April. Veröffentlichung über die Staatsfinanzen 1904.
	        
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