Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

284 Kukland. (November 27.—Dezember 8.) 
Abschaffung des Kriegszustandes, des verstärkten Schutzes und aller die 
nationalen Rechte beschränkenden Gesetze und Verfügungen; 2. Einleitung 
einer gerichtlichen Untersuchung bezüglich der blutigen Wirren und Gewalt- 
taten, welche kurz nach Veröffentlichung des Manifestes stattgefunden haben; 
Untersuchung unter Beteiligung von Vertretern der Gesellschaft, Dienst- 
entsetzung und gerichtliche Verfolgung der administrativen und Polizei- 
behörden der Orte, wo Hetzen und Gewalttaten stattfanden; 3. Ergreifung 
von Maßnahmen, damit die vom Manifest festgelegten Prinzipien sämt- 
lichen Organen der Administration bei der Verwaltung des Landes zur 
Richtschnur dienen sollen; sämtliche Mitglieder der Regierung, ausgenommen 
der Minister des kaiserlichen Hofes, sind dem Ministerrat unterzuordnen! 
4. Verantwortlichkeit der Behörden vor Straf= und Zivilgericht; 5. Er- 
weiterung der Rechte der Städte und Semstwos dahin, daß sie für die 
öffentliche Sicherheit zu sorgen befugt sind; 6. vollständige Amnestie; 7. Ab- 
schaffung der Todesstrafe. 
27./28. November. (Sewastopol.) Das Kriegsschiff „Otscha- 
kow“ und einige Küstenbatterien meutern. Sie werden durch ge- 
meinsame Angriffe von See= und Landtruppen vernichtet. Die 
Hälfte der Stadt wird dabei zerstört. 
29. November. Beginn eines allgemeinen Streiks der Post- 
und Telegraphenbeamten. Allein Petersburg steht noch im tele- 
graphischen Kabelverkehr mit Kopenhagen. In den folgenden Tagen 
versagt auch dieser Verkehr. 
30. November. In Jelissabetpol im Kaukasus liefern sich 
Armenier und Tataren blutige Gefechte. 
Anfang Dezember. Durch die europäische Presse gehen Ge- 
rüchte von einer geplanten Palastrevolution; ein Großfürst habe 
sich mit Hilfe der Sozialisten zum Diktator aufwerfen wollen; der 
Zar sei persönlich bedroht worden. 
Anfang Dezember. (Polen.) Der Kriegszustand wird auf- 
gehoben. Angekündigt werden ferner Aufhebung der Beschränkungen 
für die Juden, Erleichterungen im Militärdienst und bei der Er- 
werbung von Grundbesfitz durch die Polen, Beseitigung aller Glaubens- 
beschränkungen und Berückfichtigung der polnischen Wünsche bei 
Besetzung der Amtsstellungen. 
3. Dezember. (Kiew.) Wegen einer Meuterei wird der 
Kriegszustand verhängt. 
4. Dezember. (Finnland.) Der Senat beschließt, die Na- 
tionalsprache in den Staatsschulen anstatt der russischen anzuwenden 
und die Russifizierungsgesetze der letzten Jahre durch neue. Gesetze 
aufzuheben. 
8. Dezember. Ein kaiserlicher Ukas hebt die Präventivzensur 
gegen die periodische Presse auf.
	        
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