Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

316 Nebersicht der pelilischen Entwicheluns des Jahres 1905. 
zu unternehmen. Der Schlacht folgte wiederum eine mehrwöchige 
Pause, am 23. Februar hatten dann die Japaner ihre Vorberei- 
tungen beendet, um eine große Offensive auf die stark befestigte 
Stellung der Russen bei Mukden wagen zu können. Wie stets 
errangen die Japaner ihren Sieg durch ihre größere Frontausdeh- 
nung; trotzdem sie der russischen Armee an Zahl nicht gleich waren, 
umgingen sie unter beständigen Gefechten den rechten Flügel Kuro- 
patkins und zwangen ihn hierdurch zum Rückzuge. Am 10. März 
war die Schlacht entschieden; die Russen gaben Mukden auf und 
zogen sich über den Miluho zurück. Die Verluste an Toten und 
Verwundeten waren auf beiden Seiten enorm, die Russen verloren 
außerdem viele tausend Gefangene und ungeheuren Kriegsvorrat; 
der Eindruck, den das Elend der Schlacht und des Rückzugs auf 
den Führer hervorbrachte, war derart, daß Kuropatkin an seiner 
Fähigkeit, den Krieg weiter zu führen, verzweifelte, den Zaren um 
seine Abberufung bat und durch Lenewitsch ersetzt werden mußte. 
Aber trotz der gewaltigen Einbußen war das russische Heer nicht 
zerstört, und die Japaner waren selbst vom Kampfe zu sehr mit- 
genommen, um die Russen in rastloser Verfolgung aus der Man- 
dschurei hinaustreiben und die Armee auflösen zu können. Wie 
nach den früheren Schlachten konnten sich die Russen einige Meilen 
vom Schlachtfelde wieder festsetzen, einen großen Teil der Man- 
dschurei behaupten und Verstärkungen aus Europa heranziehen. 
So ist die Lage bis zum Schluß des Krieges geblieben; zu einer 
erneuten großen Aktion fühlte sich keine Partei stark genug, so daß 
größere Gefechte nicht mehr stattgefunden haben. Nicht einmal die 
Belagerung Wladiwostoks konnte Oyama unternehmen, weil er 
besorgen mußte, durch Abgabe von Belagerungstruppen das Feld= 
heer zu sehr zu schwächen und den Russen Gelegenheit zu erfolg- 
reichen Angriffen zu geben. Trotz der ruhmvollen Siege war so- 
mit die Lage der Japaner keineswegs glänzend; noch war das 
Schicksal des Krieges nicht entschieden, und wenn gar die heran- 
nahende russische Flotte Erfolge hatte, konnte, wie im Vorjahre 
schon dargelegt, die von der Heimat abgeschnittene Armee Oyamas 
sich in der Mandschurei nicht halten. Auch Port Arthur hätte, 
falls die Russen die Überlegenheit zur See errangen, einem Angrif
	        
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