Mebersicht der politiseen Entwichelung des Jahres 1905. 319
Interesse an der Beendigung des Krieges, am meisten aber Eng-
land und Frankreich. Beide waren ja verbündet mit je einer der
kriegführenden Parteien; bei unerwarteten Komplikationen, die bei
langer Dauer eines Krieges nie ausgeschlossen sind, konnten sie ge-
zwungen werden einzugreifen, und da sie, wie im Vorjahre aus-
geführt, gerade bestrebt find, ein enges Einvernehmen herzustellen,
so lag ihnen daran, mit dem ostafiatischen Kriege jede Konflikts-
gefahr zu beseitigen. Eine Besorgnis, daß Rußland seine frei ge-
wordene Armee nach Süden, etwa gegen Persien, wende, um sein
verlorenes Prestige wiederzugewinnen, brauchte England seit dem
Ausbruch der Revolution nicht zu hegen, und überdies hatte es
gegen eine solche Bedrohung, wie wir noch sehen werden, ein Gegen-
mittel in Bereitschaft. Die Ententemächte bemühten sich daher um
eine Vermittelung, aber ehe sie Erfolg hatten, war bereits der
Vorschlag des Präsidenten Roosevelt, auf amerikanischem Boden
Verhandlungen zu beginnen, in Petersburg und Tokio angenommen
worden (Juni). Japan wie Rußland waren mit Rücksicht auf ihre
Finanzen des Friedens bedürftig und ergriffen gern die Gelegen-
heit, mit Ehren aus der schwierigen Lage herauszukommen. Unter-
stützt wurde Roosevelts Vorschlag auch vom Deutschen Kaiser, doch
sind Einzelheiten nicht darüber bekannt geworden.
In den Verhandlungen, die in Portsmouth (New-Hamp-
shire) zwischen Witte, dem ersten Manne Rußlands, und Komura,
dem japanischen Minister des Auswärtigen, geführt wurden (seit
Anfang August), trat Japan zuerst mit weitgehenden Forderungen
hervor: Auslieferung Koreas, übertragung des rusfischen Pacht-
vertrags mit China über Liautung an Japan, Abtretung von
Sachalin, Auslieferung aller russischen Kriegsschiffe in neutralen
Häfen Ostasiens, Beschränkung der russischen Macht zu Wasser und
zu Lande in Ostasien, Zahlung einer Kriegsentschädigung von
mehreren Milliarden Mark. Die Mandschurei sollte von beiden
gleichzeitig geräumt und der chinesischen Regierung zurückgegeben
werden. Diese Bedingungen hätten Rußland aus der Reihe der
ostasiatischen Mächte gestrichen. Rußland wollte dagegen nicht mehr
gewähren, als was die Japaner wirklich erobert hatten, die übrigen
Forderungen lehnte es als schimpflich ab. Das Begehren nach den