Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

330 Nebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1905. 
brochen war und die Hottentotten erhebliche Verluste erlitten haben; 
u. a. ist ihr Hauptführer Hendrik Witbooi gefallen und sein Tod 
hat viele seiner Leute zur Ergebung bewogen. Vornehmlich zwei 
Hottentottenhäuptlinge, Morenga und Cornelius, führen noch einen 
Bandenkrieg mit mehreren hundert Mann weiter. Die Hoffnung 
auf baldige völlige Niederwerfung des Aufstandes spricht sich aus 
in der Abberufung des bisherigen Oberkommandeurs und in der 
Einrichtung einer obersten Zivilverwaltung, die den Aufständischen 
mit weitgehender Amnestie entgegengekommen ist. Die wichtige 
Frage der Entschädigung der vom Aufstand betroffenen Ansiedler 
ist nicht zur vollen Befriedigung der Ansiedler geregelt worden, 
aber es ist doch kein Zweifel, daß die Zukunft des Schutzgebietes 
gesichert ist. Der Bau von Eisenbahnen, die erste Bedingung zu 
seiner Entwickelung, ist gefördert worden; so hat die Otavi-Minen- 
gesellschaft eine Eisenbahn von Swakopmund nach Nordosten be- 
gonnen, und der Reichstag hat am Jahresschluß die Strecke Lüderitz- 
bucht-Kubub bewilligt. Vorläufig aus militärischen Rücksichten zur 
Sicherung der Verpflegung der im Süden operierenden Truppen 
angelegt, wird sie nach Beilegung der Unruhen einen hohen wirt- 
schaftlichen Wert haben und nach der Ansicht mancher Kenner eine 
Verlängerung bis in die englischen Kolonien erhalten und so 
Lüderitzbucht zu einem wichtigen Hafenplatz erheben. — Auch in 
anderen Kolonien gab es Unruhen. In Kamerun und Neu--Guinea 
waren sie lokaler Natur und konnten von den Polizeitruppen leicht 
unterdrückt werden, in Ostafrika waren sie ernster. Etwa ein 
Drittel des Schutzgebiets ist hier vom Aufruhr ergriffen. Seine 
Ursache ist im wesentlichen die Unzufriedenheit der Barbaren mit 
der Kulturarbeit der Weißen: die Einschränkung der Sklaverei, die 
Einführung von Zwangsarbeit bei Wegebauten u. dgl., die Auf- 
erlegung regelmäßiger Steuern haben viele Interessen verletzt; als 
Nebenursachen kommen einige Ausschreitungen farbiger Unter- 
beamten und die Furcht vor Verschuldung an indische und euro- 
päische Händler hinzu. Die Schwäche der vorhandenen Militär- 
macht mag dazu ermutigt haben, den bewaffneten Aufstand zu 
unternehmen. Bezeichnend ist, daß fast ausschließlich die heidnischen 
Buschneger am Aufstande teilnehmen, die kultivierteren mohame-
	        
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