Das Veuische Reicz und seine einjelnen Glieder. (Mai 12.—15.) 107
Polizei verrichtet hatte. Wie es scheint — ich muß mich dieses vorsichtigen
Ausdrucks bedienen, weil der russische Kaufmann inzwischen eine längst ge-
plante Geschäftsreise nach Rußland angetreten hat und noch nicht hat ge-
hört werden können — wie es scheint, hat diese dritte Person den russi-
schen Kaufmann bestimmt, um die Erlaubnis zu längerem Verweilen hier
zu erhalten, seinerseits dem Kriminalkommissar Schöne das Angebot zu
gewissen Diensten zu machen. (Hört! hört!) Vom Kriminalkommissar
Schöne ist er zu diesem Angebot in keiner Weise verleitet worden. (Hört!
hört!) Kurze Zeit darauf — das will ich ausdrücklich hervorheben — ist
der russische Kaufmann anderen Sinnes geworden. Er hat einen Rechts-
anwalt beauftragt, seinen Wunsch auf Erlangung der Erlaubnis zum
dauernden Verweilen hier im geordneten Beschwerdewege zu verfechten.
Daraufhin hat — wie, weiß ich nicht — die Angelegenheit ihren Weg in
die parlamentarische Oeffentlichkeit des Reichstags gefunden. Insoweit und
insofern mir untergebene Beamte bei dieser Angelegenheit im übrigen ge-
sehlt haben, werde ich für die notwendige Remedur sorgen. In einigen,
verhältnismäßig wenigen Fällen sei allerdings den Intentionen der Re-
gierung nicht entsprechend verfahren worden, aber solche überflüssige Aus-
weisungen seien sofort zurückgenommen worden. Abg. Friedberg (nul.)
stimmt dem Minister im wesentlichen zu, hätte aber noch einiges über die
Ausweisungsbeschlüsse gewünscht. Abg. Herold (3.) hätte die Erklärung
des Ministers gern im Reichstag gehört und empfiehlt Milde gegen die
Schutzsuchenden. Abg. v. Brandenstein (kons.) billigt die Grundsätze des
Ministers und polemisiert gegen die Freizügigkeit der Revolutionäre. Abg.
Brömel (fr. Vg.): Viele tüchtige, fleißige Elemente seien ausgewiesen
worden; die Massenausweisungen widersprächen dem Gesetz, daß nur
„lästige“ Ausländer ausgewiesen werden sollten.
12. Mai. (Friedrichroda.) Prinzessin Friedrich Karl von
Preußen, geborene Prinzessin von Anhalt, 68 Jahre alt, f.
12. Mai. Das Preußische Abgeordnetenhaus bewilligt
15 Millionen Mark zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse
von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und
von gering besoldeten Staatsbeamten.
14. Mai. Der Reichstag genehmigt die Novelle zum Stempel-
gesetz, die den Börsenverkehr in einigen Punkten erleichtert und Er-
hebung des Stempels vom Aktienkapital vorschreibt, auch wenn
Aktien oder Aktienanteilscheine (Interimsscheine) nicht zur Aus-
gabe gelangen.
15. Mai. Das Preußische Abgeordnetenhaus genehmigt
einen Antrag Zedlitz (frk.) auf Abänderung des Kommunalabgaben-=
gesetzes in 8 53 (Zuschuß der Betriebsgemeinde an die Wohngemeinde).
15. Mai. Das Preußische Abgeordnetenhaus genehmigt
in zweiter und dritter Lesung die Vorlage über Erweiterung des
Staatsbahnnetzes. Hierdurch werden 271 Millionen Mark bereit-
gestellt. — Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach erklärt:
Lebhaft beklage ich, und mit mir Hunderttausende von Eisenbahnern,
daß der geistige Urheber dieser Vorlage, mein hochverehrter Amtsvorgänger,