Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

110 Mas Dentsche Reihh und seine einjelnen Glieder. (Mai 16.) 
Die Abgg. Peltasohn und Keruth beantragen, zwischen die Worte 
„Gerichtsreferendar“ und „von“ einzufügen: „nach seiner Annahme durch 
die Minister der Finanzen und des Innern“. 
Minister des Innern v. Bethmann-Hollweg: Man müsse danach 
streben, bei der Verwaltung nur das beste Material zu haben. Es komme 
aber nicht nur auf das Wissen, sondern auf die ganze Persönlichkeit an, 
und hierüber könne sich der Regierungspräsident besser unterrichten als die 
Minister. Die Minister würden sich auf die Gutachten ihrer Referenten 
verlassen müssen. Abg. Keruth (fr. Vp.) erkennt die Argumente des 
Ministers an, wünscht aber zur Herbeiführung einer Einheitlichkeit in 
der Aufnahme Nachprüfung durch den Minister nach Rekurs der Ab- 
gewiesenen. — Die Anträge werden abgelehnt und die Vorlage an- 
genommen. 
16. Mai. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Erwerb der 
Gewerkschaft Hercynia. Frage des Kalimonopols. 
Die Vorlage verlangt 30 Millionen Mark zum Erwerb des Kali- 
bergwerks Herchnia. Abg. Gyßling (fr. Vp.): Trotz mancher Bedenken sei 
er für die Vorlage, um der Regierung Einfluß im Kalisyndikat zu sichern, 
aber eine allgemeine Verstaatlichung lehne er ab. Abg. Höveler (Z.) für 
die Vorlage. Der Staat solle kein Geschäft machen sondern regulierend 
wirken und auch die kleinen Landwirte nicht vergessen. Abg. v. Arnim 
(kons.) ist im Interesse der Landwirtschaft für die Vorlage. Abg. Fried- 
berg (nul.) stimmt der Vorlage zu, ohne eine weitergehende Verstaatlichung 
billigen zu wollen. Handelsminister Delbrück: Der Staat müsse durch 
Ausdehnung der Produktion auf die Preisbildung für Kali und Kohle 
und das Gebaren des Syndikats Einfluß gewinnen. Er könne das er- 
reichen durch Vermehrung seines Felderbesitzes, die Abteufung neuer 
Schächte auf seinen Feldern und den Ankauf bestehender Privatwerke. Ich 
erkenne an, daß der letztere Weg an sich nur unerwünscht ist; er kann nur 
beschritten werden, wenn auf den beiden anderen Wegen das erforderliche 
Ziel im gegebenen Augenblick nicht sicher erreichbar ist. Ueber diese Grenze 
hinaus sollte der Staat niemals daran denken, Privatwerke, seien es Zechen, 
seien es Kaliwerke, zu erwerben. So halte ich es für ausgeschlossen, daß 
der Staat durch Ankauf den gesamten Kali= oder Kohlenbergbau verstaat- 
licht. Ich halte es wirtschaftlich für ausgeschlossen, es würde aber auch 
politisch und sozialpolitisch nicht ohne Bedenken sein, wenn man den Staat 
zum Prinzipal eines großen Teiles der deutschen Arbeiter machte. Ich 
würde es also für unerwünscht halten, wenn die Regierung noch einmal 
in die Lage käme, eine Vorlage wie die Hibernia= oder Hercyniavorlage 
zu machen. Sie wird nur gemacht werden, wenn eine absolute Notlage 
vorliegt, und ich hoffe, in allernächster Zeit dem Hause Vorlagen machen 
zu können, die eine solche Notlage für die Zukunft ausschließen; wir werden 
uns fragen müssen, in welchem Umfange der Fiskus in der Zukunft sich 
Reserven auf dem Gebiete des Kohlen= und Kalibergbaues schafft. 
Die Herchynia ist im Besitz so reicher Salze, daß der Staat durch die Stei- 
gerung dieser Produktion allein den Bedarf der Landwirtschaft decken könnte. 
Darin liegt die Macht des Staates für die Kaliproduktion, mehr als in 
der Steigerung des Einflusses im Syndikat. Mit der früheren Bemerkung, 
daß der Staat allein den landwirtschaftlichen Bedarf decken könnte, habe 
ich nicht sagen wollen, daß wir alle Kaliwerke verstaatlichen wollen. Daß 
der Staat auch auf der Hercynia angemessene Löhne zahlen werde, ist 
selbstverständlich. 
Das Gesetz wird in dritter Lesung angenommen.
	        
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