120 Das Heuische Reich und seine einjelnen Glieder. (Mai 28.)
Besatzung im Süden bleiben muß, so ist es klar, daß wir die Truppen
auch verpflegen müssen. Die Verpflegung kann auf zweierlei Weise er-
folgen: entweder durch die englische Regierung wie bisher, oder durch die
Eisenbahn, die von Ihnen erbeten wird. Was die englische Verpflegung
anlangt, so will ich Ihnen zur näheren Ausführung dessen, was der Abg.
Dr. Semler erwähnt hat, ein paar Beispiele anführen. Es kostet eine
Flasche Rum, die von Deutschland über Lüderitzbucht nach Keetmanshoop
kommt, im Magazin zu Keetmanshoop 1.70 Mark. Die Flasche Rum aus
englischer Verpflegung kostet im Magazin zu Warmbad 12 Mark. Der
Zentner Haber aus Deutschland kostet im Magazin Keetmanshoop 40 Mark,
der Zentner Haber aus England im Magazin Warmbad 70 Mark, und
er ist zudem noch schlecht. Es ist ganz klar, daß auf diese Weise ganz
ungeheure Summen in das Kapland fließen, das Geld wird hinausgeworfen,
nicht einmal auf die eigene Straße, sondern auf die der Engländer. Wenn
Sie nun nach Hause kommen, werden Sie sagen: Wir haben euch Wählern
hier fünf Millionen für die Eisenbahn erspart, dann sagen Sie den Wählern
aber auch, daß Sie viele Millionen mehr zahlen müssen für die englische
Verpflegung. Das bitte ich Sie, nicht zu vergessen, das ist der springende
Punkt der Sache. Es hat schon der Abg. Dr. Arendt angeführt, daß der
Krankenbestand draußen eine erschreckende Zunahme erfahren hat; wir
haben jetzt so viele Kranke, wie noch nie seit Ausbruch des Aufstandes.
Das liegt an der mangelhaften Verpflegung. Die Leute draußen be-
kommen nichts als das Notwendigste zur Ernährung: Reis, Mehl, Cornet-
beaf. Jedes Genußmittel bis auf den Rotwein, das die Leute zu ihrer
Erfrischung notwendig haben, kommt nicht mehr dorthin. Soll ich Ihnen
erst ein paar Hungerleichen auf den Tisch des Hauses legen?!“ (Lachen
und ironische Zurufe links.) Der Bahnbau werde die Zurücksendung der
Truppen beschleunigen. „Es muß bei der jetzigen Art der Heranschaffung
der Verpflegung jeder einzelne Ochsenwagen mit einer stärkeren Truppen-
zahl gedeckt werden, damit er nicht vom Feind überfallen wird. Alle
diese Bedeckungen würden wegfallen, wenn Sie die Bahn bewilligen. Das
tritt nicht erst ein, wenn die Bahn fertig ist, sondern schon während des
Baues. Mit jedem Kilometer werden Truppen überzählig; darum schnell
die Bahn bauen! Was soll ich den Truppen sagen, wenn ich hinaus-
komme? Soll ich sagen: „Der Reichstag läßt die Bahn bei Kubub im
Dreck stecken!? Nein, geben Sie mir die Gewißheit, daß die Bahn ge-
baut wird.“ (Beifall.)
Abg. Müller-Sagan (fr. Vg.) und Abg. Gröber (3.) protestieren
gegen den ungebührlichen Ton, den Oberst v. Deimling angeschlagen habe,
und daß er die Reduktion der Truppen vom Bahnbau abhängig machen
wolle. Erbprinz Hohenlohe: Eine solche Bedingung liege der Regierung
fern, kein Mann mehr als nötig solle in Südwestafrika bleiben. Abg.
Ledebour (Soz.): Deimling trete auf wie Boulanger, um bei Hofe zu
gefallen. Er sei ein Handlanger des persönlichen Regiments.
Der Bahnbau wird mit 186 gegen 95 Stimmen abgelehnt. Hin-
sichtlich der Entschädigung der Farmer fordert die Regierung 10 Millionen,
die Kommission schlägt vor, nur 500000 Mark für die Unterstützung früherer
Schutztruppenangehöriger zu bewilligen. Der Kommissionsantrag wird an-
genommen.
28. Mai. (Reichstag.) Kolonialetat. Wiederherstellung der
Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt. — Vertagung.
Präsident Graf Ballestrem: Vorgestern ist bei der dritten Be-
ratung des Kolonialetats die Stelle eines Staatssekretärs für das Kolonial-=