Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

130 JNas Neuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 15.) 
Formulierung der Bestimmungen über den konfessionellen Unterricht ist die 
Fassung des Gesetzes allerdings schwerfälliger geworden, aber im Interesse 
der Sache war an dieser Formulierung festzuhalten gegenüber den früheren 
Bestimmungen bezüglich der Leitung und Erteilung des Religionsunter- 
richtes. Ich hoffe, daß auch in diesem Hause sich prinzipielle Grundsätze 
mit dieser Formulierung abfinden werden. Ueber eine Einschränkung der 
Selbstverwaltung hat im Lande Beunruhigung geherrscht. Zu meiner 
Genugtuung ist es im anderen Hause gelungen, diese Erregung zu be- 
ruhigen. Die Vorlage hat in keinem Punkte, auch nicht bezüglich der 
Lehreranstellung, eine Einschränkung der Rechte der Selbstverwaltung ge- 
bracht, sondern diese Rechte sogar mehrfach erweitert, namentlich der Vor- 
schlag der Regierung bezüglich der städtischen Schulverwaltung ist im 
wesentlichen unverändert vom anderen Hause angenommen. Die Besorg- 
nis wegen Einschränkung der Selbstverwaltung hat sich aber bei näherer 
Prüfung als unbegründet erwiesen. Ein Versuch, das Grenzgebiet zwischen 
der staatlichen und der städtischen Schulverwaltung neu zu ordnen, hätte, 
zumal nach der Verfassung der Religionsunterricht den kirchlichen Organen 
zustehen soll, schwere Kämpfe hervorgerufen, die das Zustandekommen des 
Gesetzes erschwert hätten. Es blieb daher nur übrig, die Regelung des 
Verhältnisses zwischen Staat und Stadt einer künftigen Gesetzgebung vor- 
zubehalten. Irgend eine Einschränkung vorhandener städtischer Rechte ist 
durchaus nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt. Es hat viel- 
mehr eine Erweiterung der städtischen Rechte dahin stattgefunden, daß die 
Bestimmungen über die Schuldeputation verallgemeinert und auch auf 
kleine Städte ausgedehnt wurden. Dem Kompromißantrage entsprechend 
sollen ferner Vertreter der Kirche kraft des Gesetzes in die Schuldeputation 
eintreten. Da dies schon in überwiegenden Landesteilen geltendes Recht 
ist, kann auch hier von einem Eingriff in die Selbstverwaltung nicht die 
Rede sein. Wegen der interkonfessionellen Verhältnisse sollen besondere 
Schulpflegeorgane in Form von fakultativen Schulkommissionen eingerichtet 
werden, jedoch werden diese Fälle nicht häufig sein. Besondere Anfechtung 
hat der § 58 (früher 40) betreffs der Lehreranstellung erfahren. Diese 
Frage wird später ausführlich zu erörtern sein. Jetzt weise ich nur dar- 
auf hin, daß in den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses eine erhebliche 
Einschränkung des staatlichen Einflusses in der Volksschule liegt. Es wird 
nicht hinreichend berücksichtigt, daß nach Artikel 24 der Verfassung das 
Lehrerernennungsrecht ein Attribut der Staatshoheit, ein Recht des Landes- 
herrn ist, wobei die Gemeindeorgane in gesetzlicher Form mitwirken. Ueber 
die besonders umstrittene Anstellung der Rektoren und Hauptlehrer ist im 
anderen Hause eine Verständigung erzielt, welche eine weitere Zurück- 
drängung des staatlichen Einflusses verbietet und als eine geeignete Grund- 
lage für die Weiterentwickelung angesehen werden kann. In dem Entwurf 
ist endlich die Bereitstellung erhöhter Staatsmittel ins Auge gefaßt; zur 
Ausgleichung der Verschiebungen infolge dieses Gesetzes sowie zur Beseiti- 
gung etwaiger Härten sollen 5 Millionen Mark mehr bereitgestellt werden, 
ferner ein laufender Betrag von 1.3 Millionen zur Erleichterung der 
Aufbringung der Baufondsansammlungen; ferner trägt in Zukunft der 
Staat für Schulgemeinden bis zu sieben Schulstellen ein Drittel der Bau- 
kosten, schätzungsweise insgesamt 4 bis 5 Millionen; außerdem ist zur 
Unterstützung von Gemeinden mit weniger als 25 Schulstellen ein Mehr- 
betrag von 1 Million Mark vorgesehen; dazu kommen Unterstützungen 
jüdischer Gemeinden, eine angemessene Erhöhung des Staatsfonds für 
Bauten in leistungsschwachen Gemeinden von etwa 3 Millionen, wofür 
aber die Summe noch nicht ganz feststeht, sowie 3 Millionen Mark mehr 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.