Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Das NVenische Reithh uud seine einjelnen Glieder. (September 8.—10.) 161 
mit des Himmels Willen sich auf sein Haupt senkte: „Gott war mit uns, 
ihm sei die Ehre!“ Und wenn Ich daran denke, wie heut die Fahnen der 
Kriegervereine in stolzem Schritt bei Mir vorbeizogen, so glaube Ich, wir 
können das auch auf die Jetztzeit übertragen, und wir können Gott danken, 
wie er alles zum Wohl und Nutzen dieser Provinz und unseres Landes 
gefügt hat, vor allem, daß es uns vergönnt gewesen ist, im Frieden un- 
sere Arbeit zu tun. Wenn aber Gott mit uns gewesen ist, so liegt wohl 
die ernste Frage nahe, ob wir seiner Hilfe auch würdig waren? Hat ein 
jeder unter uns nun auch das seinige dazu getan, unter Drangabe von 
allen seinen Sinnen, von Gesundheit und Leibeskräften, das fortzuführen 
und auszubauen, was die Vorzeit uns hinterlassen hat? Wenn ein jeder 
an sein Herz schlägt und sich ehrlich diese Frage vorlegt, so wird wohl 
bei manchem die Antwort schwer sein. Nun wohl, meine Herren, lassen 
Sie uns aus der großen Persönlichkeit des großen Königs die Einsicht 
und die Entschlüsse schöpfen, wo es gefehlt hat an der Arbeit, wo der Mut 
hat sinken wollen, wo schwarze Gedanken und Befürchtungen das Haupt 
umrauschten. Hinweg damit! So wie der große König von dem alten 
Alliierten niemals im Stich gelassen worden ist, so wird auch unser Vater- 
land und diese schöne Provinz seinem Herzen nahe bleiben. Und so wollen 
wir ein neues Gelübde aus dem schönen Schatz der Erinnerungen und der 
goldenen Treue, die mir hier entgegenschlug, prägen: Uns von nun an 
mit Aufbietung aller geistigen und körperlichen Kräfte nur der einen Auf- 
gabe zu widmen, unser Land vorwärts zu bringen, für unser Volk zu 
arbeiten, ein jeder in seinem Stande, gleichviel, ob hoch oder niedrig, unter 
Zusammenschluß der Konfessionen, dem Unglauben zu steuern, und vor 
allen Dingen den freien Blick für die Zukunft zu bewahren und niemals 
an uns und unserem Volke zu verzagen. Den Lebenden gehört die Welt 
und der Lebende hat Recht. Schwarzseher dulde Ich nicht, und wer sich 
zur Arbeit nicht eignet, der scheide aus, und wenn er will, suche er sich 
ein besseres Land. Ich erwarte aber von Meinen Schlesiern, daß sie mit 
dem heutigen Tage sich von neuem in dem Entschluß zusammenfinden 
werden, den großen Zielen und Vorbildern nachgehend, ihrem Herzog zu 
folgen in seiner Arbeit, und vor allem in seiner Friedensarbeit für sein 
Volk. In dieser Hoffnung leere Ich Mein Glas auf das Wohl der Pro- 
vinz Schlesien und aller treuen Schlesier. 
Die Presse bespricht die Rede lebhaft; vielfach wird ausgeführt, daß 
Deutschland keinen Grund habe, nach innen und außen zufrieden zu sein. 
Vgl. dagegen „Preußische Jahrbücher“ Bd. 126 S. 187. 
8.9. September. (Gannover.) Der Delegiertentag der 
nationalliberalen Jugendvereine, die 64 Vereine mit 10 119 Mit- 
gliedern zählen, tadelt die Zustimmung der Nationalliberalen zum 
preußischen Volksschulgesetz und zu den Reichssteuergesetzen. 
10. September. (Berlin.) Internationaler Kongreß für 
Versicherungswissenschaft. 
September. Wechsel im Kolonialamt. 
Der Leiter des Kolonialamts Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg 
tritt zurück. Sein Nachfolger wird der Direktor der Darmstädter Bank, 
Bernhard Dernburg (10. September). — Die Presse sieht darin einen 
Systemwechsel; Dernburg solle namentlich die unpraktisch abgeschlossenen 
Lieferungsverträge revidieren und das Personal schärfer disziplinieren. — 
Prinz Hohenlohe gibt bei einem Abschiedsdiner in öffentlicher Ansprache 
Europäischer Geschichtskalender. XLVII. 11
	        
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