Jas Dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (Oktober 14. 15.) 173
sprache im Religionsunterricht in Schutz genommen oder mich um ihre
Wiedereinführung bemüht... Unter den gegebenen Verhältnissen bleibt
uns nur übrig, im gemeinsamen Herzenskummer den Religionsunterricht
in der Schule durch einen solchen in Haus und Kirche zu ergänzen.
Die große Mehrheit der deutschen Presse greift den Erlaß aufs
schärfste an und sieht darin zum Teil eine Aufforderung zum Widerstand
gegen die Staatsgesetze. Die Zentrumspresse betont, jeder Katholik müsse
damit völlig einverstanden sein. Die „Posener Neueste Nachrichten“ for-
dern einen Kurswechsel in der Polenpolitik.
14. Oktober. Der Gedenktag der Schlacht von Jena wird
in der Presse viel besprochen; auf dem Schlachtfelde finden Er-
innerungsfeiern statt, in Vierzehnheiligen wird ein Denkstein für
die Gefallenen errichtet.
15. Oktober. (Essen.) Der Kaiser nimmt Teil an der
Hochzeitsfeier von Bertha Krupp mit dem Freiherrn v. Bohlen
und bringt einen Trinkspruch aus, in dem er sagt:
Ihr Leben sei erfüllt und beherrscht von dem, was unser großer
und klarster Denker, Kant, den kategorischen Imperativ der Pflicht genannt
hat. Ihnen, Meine liebe Bertha, hat der liebe Gott einen herrlichen
Wirkungskreis zugewiesen: für Ihre Arbeiter und deren Familien zu leben.
Wenn Sie durch die Fabrikräume schreiten, möge der Arbeiter in dank-
barer Liebe die Mütze vor Ihnen lüften und in Ihnen neben der Tochter
seines innig verehrten, verblichenen Fabrikherrn den guten Genius der
Werke begrüßen. Bei Ihrem Eintritt in die Familienhäuser mögen die
Kinder und die Frauen in Ihnen eine holde Fee erblicken, welche bei ihrem
Erscheinen Tränen trocknet, Not lindert, Lasten erleichtert, Leid ertragen
hilft; und Ihrer Einwirkung, Mein lieber Bohlen, entspringe Arbeits-
freudigkeit, fortschreitende Entwickelung nach zielumfassenden Gesichtspunkten,
den modernsten Anforderungen entsprechende Leistungen nach den bewährten
Grundsätzen des Begründers dieses Werkes. Möge es Ihnen gelingen,
das Werk auf der Höhe zu erhalten auf die es gehoben worden ist, un-
serem deutschen Vaterlande auch fernerhin Schutz= und Trutzwaffen zu
liefern, welche in der Fabrikation sowohl wie in Leistungen nach wie vor
von keiner Nation erreicht werden. Mit goldenen Buchstaben stehe das
Wort „Pflicht“ über den Türen Ihres Heims und werde ihre Ausübung
durch das hehrste Gefühl erleichtert, welches es auf Erden gibt, nämlich
für das Wohl seiner Mitmenschen arbeiten zu können.
15. Oktober. (Braunschweig.) Das Staatsministerium be-
antragt die Wahl eines Regenten:
In der Vorlage heißt es: Die Antwort des Kaisers geht dahin,
daß Allerhöchstderselbe sich außerstande sehe, der Allerhöchstihm von seiner
königlichen Hoheit ausgesprochenen Bitte näher zu treten. Die Ablehnung
wird dahin begründet, daß der Inhalt des Schreibens des Herzogs von
Cumberland keinen Grund biete, um die Sach= und Rechtslage als ver-
ändert anzusehen, welche zu dem Bundesratsbeschlusse vom 2. Juli 1885
geführt habe. Man wird nicht umhinkönnen, dem zuzustimmen. Der
wesentlichste Grund des mehrerwähnten Bundesratsbeschlusses ist nach dessen
Wortlaut zweifellos in der Geltendmachung von Ansprüchen auf Gebiets-
teile des Bundesstaates Preußen seitens des Herzogs von Cumberland zu
suchen. Von diesem Gesichtspunkte aus hat auch der Referent der staats-