Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 19.—22.) 201
gebung neue Bahnen wies. Nach seinem erhabenen Willen ist es unter
freudiger Zustimmung der verbündeten Regierungen und der verständnis-
vollen Mitwirkung des Reichstages gelungen, den schwierigen und weit-
verzweigten Ausbau der staatlichen Arbeiterfürsorge auf dem Gebiete der
Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung so zu fördern, daß die Hilfs-
bedürftigen in den Tagen der Not einen Rechtsanspruch auf gesetzlich ge-
regelte Bezüge besitzen. Die Arbeiter haben damit, dank der umfassenden
Leistungen des Reiches und ihrer Arbeitgeber sowie auf Grund ihrer eigenen
Beiträge, eine erhöhte Sicherheit für den notwendigen Lebensunterhalt und
für den Bestand ihrer Familien erreicht. Die großen und werbenden Ge-
danken der kaiserlichen Botschaft haben diesen Erfolg aber nicht nur in
unserem eigenen Vaterlande gezeitigt, sondern wirken auch weit über dessen
Grenzen hinaus vorbildlich und bahnbrechend. Leider wird die Erreichun
des höchsten Zieles der kaiserlichen Botschaft gehemmt und verzögert dur
den andauernden Widerstand gerade von der Seite, welche glaubt, die
Vertretung der Arbeiterinteressen vorzugsweise für sich in Anspruch nehmen
zu können. Gleichwohl vertraue Ich auf den endgültigen Sieg der ge-
rechten Erkenntnis des Geleisteten und auf das wachsende Verständnis für
die Grenzen des wirtschaftlich Möglichen in allen Kreisen des deutschen
Volkes. Dann wird sich auch die Hoffnung Kaiser Wilhelms erfüllen, daß
sich die Arbeiterversicherung als dauernde Bürgschaft des inneren Friedens
für das Vaterland erweisen möge. In dieser Zuversicht ist es Mein fester
Wille, daß die Gesetzgebung auf dem Gebiete der sozialpolitischen Fürsorge
nicht ruhe und in Erfüllung der vornehmsten Christenpflicht auf den Schutz
und das Wohl der Schwachen und Bedürftigen fortgesetzt bedacht sei.
Durch gesetzliche Vorschriften und Leistungen allein ist indes die Aufgabe
im Geiste der Kaiserlichen Botschaft und ihres erlauchten Schöpfers nicht
zu lösen. Ich erkenne es am heutigen Tage gerne an, daß es im deut-
schen Volke nie an Männern und Frauen gefehlt hat, die freiwillig und
freudig ihre Kraft in den Liebesdienst am Wohl des Nächsten gestellt haben,
und ich sage allen, die sich dem großen sozialen Werke unserer Zeit selbst-
los und opferwillig widmen, Meinen kaiserlichen Dank.
19./20. November. (Berlin.) Besuch des dänischen Königs-
paares.
AMW. November. (Preußen.) Ritterschaftsrat Rittergutsbesitzer
v. Arnim wird zum Landwirtschaftsminister ernannt.
22. November. Amtliche Denkschrift über die Kolonien.
Eine dem Reichstag vorgelegte Denkschrift des Kolonialamts schätzt
die Gesamtsumme der deutschen Kapitalsinteressen in den deutschen Schutz-
gebieten (ohne Kiautschon) auf rund 370 Millionen Mark. Zählt man
hierzu den Kapitalswert der Exportproduktion in den einzelnen Kolonien,
der auf rund 600 Millionen Mark beziffert wird, so ergibt sich, daß ein
produktives Gesamtkapital von rund einer Milliarde in den Schutzgebieten
arbeitet. — Auf den Quadratkilometer Fläche trifft in den Gesamtschutz-
gebieten 26.1 Mark reichsfiskalisches Kapital und 85.7 Mark Privatkapital.
Die Denkschrift bezeichnet die vom privatwirtschaftlichen Standpunkt be-
trachtete Entwickelung unserer Kolonien als geradezu überraschend günstig:
„Die Opfer, die wir bisher für die Schutzgebiete bringen mußten, liegen
nur zum geringsten Teil auf wirtschaftlichem Gebiete, zum größten Teil
auf militärischem. Daß aber große militärische Expeditionen notwendig
wurden, ist auf den einzigen wirklich folgenschweren Fehler zurückzuführen,
der bisher in unserer kolonialen Politik gemacht worden ist, nämlich eine